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Ludische Wissenschaften

ISBN/EAN: 9783899372762
Umbreit-Nr.: 5273969

Sprache: Deutsch
Umfang: 56 S., 28 Farbfotos, 47 Illustr., 19 Schwarzweißab
Format in cm: 1 x 24.5 x 17.5
Einband: gebundenes Buch
Lesealter: 15-99 J.

Erschienen am 14.04.2022
Auflage: 1/2022
€ 19,80
(inklusive MwSt.)
Nachfragen
  • Zusatztext
    • Forschungsvorhaben werden oft nur unter dem Aspekt konkreter Anwendbarkeit anerkannt. Die Geschichte lehrt uns aber, dass grundlegende neue Erkenntnisse seit der Antike häufig zweckfrei und spielerisch ("ludisch") aus der dem Menschen innewohnenden Neugierde heraus gefunden wurden. Dieses Buch erzählt, wie aus Spielen ohne Intention Nützliches entstand. Aus einer an der Haut kribbelnden Vase wurde der erste elektrische Kondensator, der in vielfach kleinerer Form später in Billionen Smartphones verwendet wurde, ein geschickt gebogener Draht ergab ein Patent für die erste Büroklammer, ein misslungener Ersatz für Autoreifengummi wurde zum ersten weltweit vermarkteten Kaugummi.
  • Kurztext
    • Gegenwärtig werden Forschungsvorhaben in zunehmendem Maße oder sogar ausschließlich unter dem Aspekt konkreter Anwendbarkeit gefördert bzw. prämiert. Unsere Geschichte lehrt uns aber, dass wir Menschen seit der Antike aus der uns innewohnenden Neugierde heraus zweckfrei und beinahe spielerisch über grundlegende neue Erkenntnisse stolpern. Intention ist für mich hierbei ein ausschlaggebendes Kriterium: wenn die "Anwendung" die Eitelkeit oder das Streben nach einer Art Unsterblichkeit ist, ist Zweckfreiheit ausgeschlossen. Dies liegt häufig Entwicklungen in bildgebenden Verfahren zugrunde. Auch im Sport würde ich das Streben einschließen, denn der Gewinn und das Tun an sich lassen sich schwer trennen. Forschungsunterfangen mit zweckfreier Haltung werden hier "ludisch" (vom Lateinischen ludus, das Spiel) genannt, und in diesem Buch anhand verschiedener Beispiele aus der Vergangenheit beschrieben. Einige von diesen, wie etwa die "schwingende" Belousov-Zhabotinsky-Reaktion, haben bis heute keine Anwendung gefunden. Andere, wie zum Beispiel Kondensatoren, sind so grundlegend, dass sie aus der Technik nicht mehr wegzudenken sind. Der niederländische Kunsthistoriker Johan Huizinga untersucht in seinem Buch "Homo ludens" (1938) die Rolle des Spiels als kreative Quelle in vielen Bereichen des Rechts, der Wissenschaf- ten, Philosophie und Kunst. Huizinga definiert "Spiel" als "eine Handlung oder Beschäftigung, die freiwillig angenommen wird und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freu- de und einem Bewusstsein des Andersseins als das gewöhnliche Leben." Nach Huizinga ist das Spiel der Ursprung aller Neuerungen, "der Ursprungsort aller großen kulturellen Bildungen". Ich stimme mit ihm hierin überein, und auch da- rin, dass "Kultur nur anfänglich gespielt" wird. Ich zitiere Huizinga weiter: "In ihren Spielen bringt die Gemeinschaft ihre Deutung des Lebens und der Welt zum Ausdruck. Dies ist nicht so zu verstehen, daß Spiel in Kultur umschlägt, vielmehr daß der Kultur in ihren ursprünglichen Phasen etwas spielmäßiges eigen ist, ja dass sie in den Formen und der Stimmung eines Spiels anfänglich aufgeführt wird". Beispiele von nicht ins Technische sich umwandelnden Spielen, also Ausnahmen, sind für Huizinga der Tanz, die Dichtung und die abstrakte Kunst. Dieses Buch versteht sich als Ergänzung der Gedanken Huizingas, die philosophisch, also geisteswissenschaftlich sind, während im Folgenden naturwissenschaftliche Bespiele aus der Geschichte beschrieben werden. Für fast alle Beispiele gilt, wie Huizinga betont hat, dass nur das Spiel die Entstehung von Innovationen ermöglichte. Das vorliegende Buch zeigt, dass diese Neuerungen später meistens in die Technik Einzug hielten. Es soll in diesem Zusammenhang ein jährlicher Preis ausgeschrieben werden, im Rahmen einer Stiftung des Autors dieses Buches. In erster Instanz mögen sich Naturwissenschaftler jeden Alters, jeder Ausbildung oder Nationalität bewerben können. Ihre eingereichte Arbeit soll keine offensichtliche technische oder kommerzielle Anwendung haben. Unter zwei gleich guten Bewerbungen soll diejenige ausgewählt werden, welche mit dem geringsten finanziellen und technischen Aufwand entstanden ist. Die Arbeit sollte in gängigen Forschungseinrichtungen, wie Universitäten und Max-Planck-Instituten, oder zuhause durchgeführt worden sein. Ich danke herzlich meinem Kollegen Dr. Malte Schmick, Max-Planck-Institut, Dortmund, für seine sorgfältigen Sachkorrekturen.
  • Autorenportrait
    • Mario Markus wurde 1944 als Sohn deutsch-jüdischer Flüchtlinge in Chile geboren. Er studierte in Heidelberg Physik, wo er 1973 auch promoviert wurde. Anschließend arbeitete er als Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund und Professor an der dortigen Universität. Er schrieb zahlreiche Publikationen in internationalen Zeitschriften über Selbstorganisation in physikalischen, biologischen und chemischen Systemen und verfasste Bücher über die Verschmelzung von Naturwissenschaft und Kunst. Weitere Informationen gibt es unter www.mariomarkus.com.