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Unter Damen

eBook - Roman
ISBN/EAN: 9783894806866
Umbreit-Nr.: 1724427

Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S., 0.46 MB
Format in cm:
Einband: Keine Angabe

Erschienen am 24.04.2002
Auflage: 1/2002


E-Book
Format: EPUB
DRM: Digitales Wasserzeichen
€ 6,49
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Konstanze Vogelsang ist eine wahre Stütze der Gesellschaft. Attraktiv, stilvoll und mit der kühlen Ironie einer Dame aus bestem Hause, ist sie überall in Bad Babelsburg ein gern gesehener Gast. Seit drei Jahren auch ohne ihren Mann, dessen Grab von ihr genauso hingebungsvoll gepflegt wird wie Haus, Garten und Konversation. Die 50jährige hat ihr Leben angenehm und perfekt organisiert. Winzige familiäre Entgleisungen (von der alternativ-pluderhosig angehauchten Schwiegertochter bis zur porzellan- und klatschsammelnden Mutter) werden mit hochgezogenen Brauen weitgehend ignoriert. Nur einer stört seit kurzem die Idylle: Ein hartnäckiger Verehrer aus Jugendzeiten. Doch noch vor dem zögerlichen Wiedersehen kommt es in der Bibliothek der Volkshochschule zu einer schicksalhaften Begegnung. Per Lennert liebt klassische Literatur, alte Möbel und garantiert keine Girlies. Konstanze, die Kühle, trifft es wie ein Erdbeben gegen jede Planung und Konvention. Was sie nicht ahnt: Der zwanzig Jahre jüngere Per ist der Sohn ihrer Jugendliebe ...
  • Autorenportrait
    • Die wunderbar witzigen und ironischen Romane von Claudia Keller erobern regelmäßig und verlässlich die Bestsellerlisten, wurden in mehrere Sprachen übersetzt und erreichen eine Gesamtauflage in Millionenhöhe. Die Verfilmungen ihrer Erfolgsromane bei Blanvalet, z. B. »Ich schenk dir meinen Mann«, wurden im ZDF mit überwältigenden Zuschauerquoten ausgestrahlt. Als Spross einer echten Künstlerfamilie verbindet Claudia Keller ihr ironisches Erzähltalent mit einem unverfälschten Blick auf die großen und kleinen Ungereimtheiten des Beziehungsalltags. <br />Claudia Keller wurde für ihr Werk bisher mit dem »Frankfurter Fabrikschreiberpreis«, dem »Aachener Literaturpreis« und dem »Hafispreis« ausgezeichnet.
  • Leseprobe
    • Auf die Frage, was sie sich zu ihrem fünfzigsten Geburtstag wünsche, hatte Konstanze Vogelsang geantwortet: »Frieden für die Welt und Gesundheit für die Familie«, eine Antwort, von deren Richtigkeit sie zutiefst überzeugt war.<br />Konstanzes Geburtstag fiel auf den Heiligen Abend, was allein schon eine Menge Streß bedeutet. Aber wie groß wäre die Belastung erst gewesen, wenn ihr jemand prophezeit hätte, daß sie sich im Grunde ihres Herzens weniger den »Frieden für die Welt« als einen jungen Liebhaber wünsche und daß ihr dieser Wunsch im neuen Lebensjahr endlich erfüllt werde. Konstanze hätte den Kopf zurückgeworfen und das typische Konstanze-Lachen ertönen lassen.<br />»Auf daß der Himmel mich damit verschone"«<br />Sie hatte inzwischen ein Alter erreicht, in dem Generationskonflikte unvermeidlich werden, und wünschte sich, wie sie mit feiner Ironie bemerkte, besagten Konflikt nicht bis ins Bett hinein. Allein zu schlafen, das betrachtete sie seit dem Tod ihres Mannes als kostbares Privileg. <br /><br />Seitdem sie Witwe war, war das Wohnen zu ihrer Lieblingsbeschäftigung geworden. Sie liebte das behagliche Walmdachhaus, in dem sie seit dreißig Jahren lebte, wie einen nahen Verwandten. <br />Ja, sie liebte es sogar mehr als die meisten ihrer Verwandten, da es sich im Gegensatz zu diesen ganz nach Belieben dekorieren und umgestalten ließ. Es ließ sich auch hervorragend vorführen, und es war nicht zu befürchten, daß es sie jemals blamieren würde.<br />Der Beifall ihrer Gäste war ihr sicher.<br />Weder mit ihrem Mann noch mit ihren Kindern hatte sie auf so dezente Weise angeben können. <br />Konstanze ging in die Küche hinüber und warf einen Blick in das angrenzende Eßzimmer mit seinen handgewebten Teppichen und dem großen Tisch, an dem Gerald und sie so viele Abende im Kreise ihrer Freunde verbracht hatten.<br />»Konstanzes Tisch« war immer eine feste Größe im Babelsburger Gesellschaftsleben gewesen, und sie war dankbar, daß der Freundeskreis nach Geralds Tod nicht auseinandergefallen war.<br />Die Babelsburger Gattinnen brauchten keine Angst zu haben, daß die attraktive Witwe ein Auge auf ihre Männer werfen und deren Herzen in Unruhe versetzen könnte. Konstanze war sich selbst genug, was ein wenig arrogant und ungemein beruhigend war.<br />Sie polierte die schwere Silberplatte, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte, noch einmal nach und freute sich, daß sie auch nach Jahrzehnten nichts von ihrem Glanz eingebüßt hatte. Konstanze besaß Sinn für Stil und Tradition, und es stimmte sie traurig, daß ihre Schwiegertochter Verena nicht so ganz zur Familie paßte. Konstanze verbot es sich, negativ über Verena zu denken, denn wenn sie eine Rolle ablehnte, so war es die der Schwiegermutter, die alles besser wußte, auch wenn es in ihrem Fall durchaus zutraf. Aber insgeheim träumte sie davon, die alte Familienrunde wieder einmal ganz »intern« genießen zu können, ohne fremde Elemente wie eine Schwiegertochter und ein zahnendes Baby. Es würde lange dauern, bis Vito alt genug war, den Familienton zu beherrschen: ironisch, bildhaft und voller Andeutungen. <br />Natürlich behielt Konstanze diese Gedanken für sich, denn sie paßten nicht zum Bild einer rund um die Uhr liebenden Großmutter.<br /><br />Um sechzehn Uhr hatte Konstanze ihre Vorbereitungen beendet. Wie stets war der Tisch festlich in Weiß und Silber gedeckt, der Baum in den traditionellen Farben Rot und Gold geschmückt. Der Karpfen lag fertig gespickt auf dem Rost, Silberschalen mit Gebäck und Nüssen standen auf den Beistelltischen bereit. <br />Nach alter Tradition waren die Geschenke auf dem niedrigen Kamintisch arrangiert. Konstanze hatte die schwere Brokatdecke mit Hilfe von Goldschnüren gerafft und die Geschenke passend zu den Farben der Decke verpackt: mattglänzendes Grün, tiefes Rot und schillerndes Gold. <br />So ungern sie sich in der Vorweihnachtszeit durch die Stadt quälte, so leidenschaftlich gab sie sich der Verpackungslust hin. Die Ges Weihnachtstag der Regen gegen die Scheiben, oder die Sonne schien ins Zimmer und stahl der Dekoration den Glanz. <br />Dunkel und kalt sollte Weihnachten sein. <br />Still und starr"<br />Um siebzehn Uhr stieg sie in die Badewanne und streckte sich wohlig im heißen Wasser aus. Nach Geralds Tod hatte sie das Bad umgestalten lassen. Aus der gekachelten Naßzelle war ein gemütlicher Salon geworden, mit einer samtbezogenen Récamiere, Kübelpflanzen und wandhohen Spiegeln. Als die Spiegel montiert wurden, hatte Konstanze sich gefragt, wie lange sie es wohl noch genießen könnte, sich nach dem Bad von allen Seiten zu betrachten, aber als sie sich jetzt abfrottierte, dachte sie zufrieden, daß es noch eine Weile dauern würde, bis sie die Beleuchtung des Bades auf die kleinen Lampen über dem Waschtisch reduzieren mußte, um ihre gute Laune zu behalten. Sie war immer noch schlank und hielt sich gerade und hatte nicht mit überflüssigen Pfunden zu kämpfen wie die meisten Frauen ihres Alters. Ein Verdienst von Haus und Garten, dachte sie. Eine bewegliche Treppauf-Treppab-Figur. <br />Gut gelaunt schlüpfte sie in die Samtjeans und stopfte die rosafarbene Seidenbluse in den Bund. Der schmale Perlengürtel, den sie bereits seit zwanzig Jahren besaß und der jedes ihrer Weihnachtsfeste begleitet hatte, war noch immer auf demselben Loch zu schließen wie damals, nur daß sie ihn nach dem Essen heimlich ein wenig lockern würde. Konstanze nahm die Wickler aus den Haaren, drehte sie zu einer dicken Rolle zusammen und steckte die Haarspitzen unter dem Ansatz fest. Ihr dichtes Haar war von einem matten Blond, so daß die wenigen Silberfäden kaum auffielen. Sie betrachtete sich von allen Seiten, stellte fest, daß sie einen guten Tag hatte, und zwinkerte sich im Spiegel zufrieden zu. Dann klemmte sie sich die Perlenclips an die Ohren.<br /><br />In der Küche krempelte sie die Ärmel hoch, putzte den Salat und goß die vorbereitete Marinade über den Karpfen. Sowohl Mathilda als auch Verena hatten sie eingeladen, Weihnachten einmal bei ihnen zu feiern, um ihr die Arbeit zu ersparen. Konstanze hatte sich herzlich für die gute Idee bedankt, aber dann hatte sie allerlei Gründe angeführt, die erleichtert aufgenommen worden waren. Bei ihr war Platz genug, man konnte bequem übernachten, und es entsprach doch auch der Tradition. <br />Aber die Wahrheit war, daß sie sich bei ihren Kindern immer ein wenig fremd fühlte. Seitdem ihre Tochter Mathilda einen Job beim Funk hatte, bewohnte sie ein Studio in der Stadt, eine Art riesigen Allraum mit gefliestem Boden und Designermöbeln. Sie würde bei einem Szene-Italiener einen Tisch bestellen, die Karte herumgehen lassen und zuletzt ihre Scheckkarte zücken. Verena und Till, die fünfzig Kilometer von Babelsburg entfernt ein Bauernhaus gekauft hatten, hätten Platz genug für eine Familienfeier, aber Konstanze graute bei dem Gedanken, an Verenas Küchentisch Weihnachten feiern zu müssen. <br />Da sie wie üblich gut geplant hatte und nicht in Zeitnot geraten war, konnte sie sich vor der Ankunft der Gäste noch eine Entspannungszigarette und einen Sherry gönnen. Sie hatte das Glas gerade eingeschenkt, als das Telefon läutete. <br />Hoffentlich keine einsame Freundin, die die Geburtstagsgratulation zum Anlaß nimmt, langatmig von ihrer Winterreise zu erzählen, dachte sie, während sie den Hörer abnahm.<br />Es meldete sich aber keine der vertrauten weiblichen Stimmen. <br />Es meldete sich ein Mann.<br />»Guten Abend, hier ist Christian!«<br />Seit Geralds Tod waren Männerstimmen in Konstanzes Leben so gut wie verstummt, wenn man von der Stimme des Schornsteinfegers und des Briefträgers einmal absah. Konstanze war ein wenig irritiert.<br />»Wer bitte?«<br />»Christian Lennert, wir waren einmal so gut wie verlobt!«<br />Er klingt noch genauso wie früher, dachte Konstanze, ein Gedanke, dem sofort eine Warnung folgte: Nur nicht auf ein langes Erinnerungsgespräch einlassen. Heute ist Heilig Abend, da ruft man nicht zur Zeit der Bescherung a zurückgenommen. Sie schmeckten ein wenig nach K