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Der Gulag

ISBN/EAN: 9783886806423
Umbreit-Nr.: 336679

Sprache: Deutsch
Umfang: 736 S., 45 s/w Illustr., mit ca 45 s/w Abb.
Format in cm: 5 x 22 x 14.3
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 18.09.2003
€ 32,00
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Wie entwickelte sich aus dem Chaos der Revolutionszeit ein weit verzweigtes, geregeltes, zentral gesteuertes und in seinem Umfang bis dahin beispielloses System zur Ausbeutung von Zwangsarbeit? Welche Bedeutung hatten Zwangsarbeit und Gulag für das sowjetische System? Wie gestaltete sich das Leben in den Lagern? Dies sind nur einige der Fragen, denen die renommierte amerikanische Journalistin Anne Applebaum in ihrem neuesten Buch nachgeht. Gestützt auf umfangreiches Quellenmaterial aus sowjetischen Archiven, das erst in jüngster Zeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, und auf zahllose Häftlingserinnerungen und Gespräche mit Überlebenden zeichnet die Autorin das Gulagsystem von seinen Ursprüngen in den Revolutionsjahren bis zu seiner Auflösung in den achtziger Jahren nach. Applebaum untersucht die wirtschaftliche und politische Bedeutung des Zwangsarbeitssystems, das unter Stalin seinen Höhepunkt erlebte, und gibt zugleich den Opfern eine Stimme. Sie beschreibt den Lageralltag und die Überlebensstrategien der Häftlinge, die besonderen Erfahrungen von Frauen und Kindern in den Lagern, sexuelle Beziehungen und Eheschließungen zwischen Häftlingen, erzählt von Rebellion, Streiks und Flucht. 'Durch die Kombination äußerst sorgfältiger Forschung mit den Erzählungen von Überlebenden erhellt >Gulag< eine Welt, die bislang im Schatten lag', urteilte Henry Kissinger. Applebaums Werk gilt schon jetzt als Standardwerk und wird in sieben europäische Sprachen übersetzt.
  • Kurztext
    • "Die amerikanische Journalist Anne Applebaum hat für ihr monumentales Werk "Der Gulag" den Pulitzer-Preis erhalten. So weit die Nachricht. Jetzt das Wichtigste: Anne Applebaum hat diesen Preis auch verdient." Hannes Stein, Die Welt "Auf der Grundlage von umfangreichen Quellenmaterial aus sowjetischen Archiven, das erst in jüngster Zeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, jahrelangen Recherchen vor Ort und zahllosen Häftlingserinnerungen und Gesprächen rekonstruiert die Autorin das Gulagsystem von seinen Ursprüngen in den Revoltionsjahren bis zu seiner Auflösung 1987 unter Michael Gorbatschow. [...] ein überaus wichtiges Votum gegen das Vergessen und die immer noch verbreitete Weichzeichnung und Verharmlosung der kommunistischen Verbrechen." Ulrike Ackermann, Merkur "Jede Art seröser Zeitgeschichtsforschung muß versuchen, ihrem Leben, Leiden und Sterben gerecht zu werden. Der Autorin gelingt dies in zweifacher Hinsicht: Sie hat nicht nur die zahlreichen Erinnerungen und Memoiren, die vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten in Rußland, Amerika, Osteuropa und anderswo erschienen sind, fast vollzählig ausgewertet, ohne dabei jemals die kritische Distanz gegenüber diesen schwierigen, weilch höchstsubjektiven Quellen zu verlieren. Sie hat erstmals auch Akten aus dem Archiv der Zentrale sowie einzelner Lagerkomplexe auswerten können. [...] Daß es Anne Applebaum gelungen ist, dieses aufwühlende Thema umfassend und sine ira et studio darzustellen, ist ein Vermächtnis für die Opfer und eine Mahnung zugleich." Günther Heydemann, Frankfurter Allgemeine
  • Leseprobe
    • Anfänge unter den Bolschewiken 1917 rollten zwei revolutionäre Wellen über Russland hinweg und ließen die zaristische Gesellschaft wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen. Zar Nikolaus II. dankte im Februar ab, und danach vermochte kaum noch jemand die Ereignisse aufzuhalten oder zu kontrollieren. Alexander Kerenski, der die erste Provisorische Regierung nach der Februarrevolution anführte, schrieb später, dass ihm zu dem damaligen Zeitpunkt 'die verschiedenen politischen Taktiken, Programme und Pläne, so kühn und gut überlegt sie waren, hilflos und nutzlos in der Luft zu hängen' schienen. Doch obwohl die Provisorische Regierung schwach war, das Volk unzufrieden und voller Zorn über das Blutbad, das der Erste Weltkrieg angerichtet hatte, rechneten nur wenige damit, dass die Macht den Bolschewiken in die Hände fallen würde, einer von mehreren radikal-sozialistischen Parteien, die für rasche Veränderungen agitierten. Im Ausland hatte kaum jemand von ihnen gehört. Noch rätselhafter war ihr Anführer Wladimir Iljitsch Uljanow, den die Welt bald unter seinem Parteinamen 'Lenin' kennen lernen sollte. In langen Jahren des Exils hatte er sich wegen seiner Brillanz ebenso Anerkennung erworben, wie wegen seines aufbrausenden Temperaments und seines Fraktionsgeistes unbeliebt gemacht. In den Monaten nach der Februarrevolution war Lenin selbst in der eigenen Partei weit davon entfernt, unumschränkte Autorität zu genießen. Noch Mitte Oktober 1917 hielten mehrere führende Bolschewiken nichts von seinem Plan, einen Umsturz gegen die Provisorische Regierung herbeizuführen, da die Partei auf die Machtergreifung noch nicht vorbereitet sei und nicht genügend Unterstützung im Volk genieße. Aber Lenin setzte sich durch. Von ihm angestachelt, besetzte eine Menschenmenge am 25. Oktober 1917 das Winterpalais. Die Bolschewiken nahmen die Minister der Provisorischen Regierung fest. Stunden später stand Lenin an der Spitze eines Staates, den er Sowjetrussland nannte. Zwar war der Griff nach der Macht gelungen, aber Lenins Kritiker in den Reihen der Bolschewiken hatten nicht ganz Unrecht. Sie kamen in der Tat völlig unvorbereitet zur Macht. Ihr Rückhalt in der Bevölkerung war gering, und so stürzten sie sich fast augenblicklich in einen blutigen Bürgerkrieg, um an der Macht zu bleiben. Von 1918 an, als die Weiße Armee des alten Regimes sich umgruppiert hatte, um gegen die neu geschaffene, von Trotzki geführte Rote Armee den Kampf aufzunehmen, wütete der Bürgerkrieg in ganz Russland mit einer Heftigkeit, wie man es in Europa bisher selten erlebt hatte. Aber nicht nur auf dem Schlachtfeld tobte die Gewalt. Die Bolschewiken unternahmen alles, um intellektuelle und politische Gegnerschaft in jeglicher Form zu unterdrücken. Zielscheibe waren nicht nur die Repräsentanten des alten Regimes, sondern auch andere Sozialisten: Menschewiken, Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Erst 1921 zog in dem neu geschaffenen Sowjetstaat relative Ruhe ein. In diesem Klima aus Improvisation und Gewalt entstanden die ersten sowjetischen Arbeitslager. Lenins Vorstellung davon als einer besonderen Form von Strafe für eine besondere Art bourgeoiser 'Feinde' passte zu seinen Ideen von Verbrechen und Verbrechern. Einerseits hatte der erste sowjetische Führer seine Zweifel, was das Einsperren und Bestrafen von Kriminellen - Dieben, Räubern und Mördern - betraf, die für ihn potenzielle Verbündete waren. Als Hauptursache der Übertretung gesellschaftlicher Regeln (wie er das Verbrechen nannte) sah er die Ausbeutung der Massen. War diese beseitigt, musste auch die Übertretung verschwinden. Daher brauchte man Kriminelle nicht besonders zu bestrafen. Mit der Zeit würde die Revolution selbst zur Überwindung des Verbrechens führen. Andererseits erwartete Lenin wie die bolschewistischen Rechtstheoretiker, die seinen Ideen folgen sollten, dass mit der Errichtung des Sowjetstaates eine neue Kategorie von Verbrechern auftauchte: der 'Klassenfeind'. Der Klassenfeind war gegen die Re