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Tagebücher 1903-1971

Mit Gesamttext auf CD-ROM, Mit Kommentat und CD-ROM - 5 Bde in Kassette
ISBN/EAN: 9783835307483
Umbreit-Nr.: 1442504

Sprache: Deutsch
Umfang: 3699 S.
Format in cm: 15.5 x 24 x 23.5
Einband: Gebunden im Schuber

Erschienen am 04.04.2011
€ 128,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Die ausgewählten Tagebücher Thea Sternheims - endlich wieder neu aufgelegt und jetzt ergänzend die gesamten Tagebuchaufzeichnungen auf CD-ROM: ein Panorama des kulturellen wie politischen Lebens im Deutschland und Frankreich des 20. Jahrhunderts. Thea Sternheim, intelligent, schön, hochgebildet, musisch begabt und reich, war die zweite Frau und Muse des Dramatikers Carl Sternheim. Mit ihm baute sie ein Schloss bei München, verkehrte in den Schriftsteller- und Künstlerkreisen der Belle Epoque und gehörte zu den ersten Van-Gogh-Sammlern Deutschlands. Die Ehe mit dem zunehmend größenwahnsinnig werdenden Sternheim zerbrach, zwei Kinder wurden drogensüchtig. Auf sich allein gestellt, emigrierte sie 1932 nach Paris, wo sie dank ihrer Freundschaft mit André Gide Zugang zu den französischen Intellektuellenkreisen hatte. Sie blieb, langsam verarmend, 30 Jahre in Paris - nur unterbrochen von der Internierung im französischen Lager Gurs. Mit 80 Jahren zog sie nach Basel, wo sie 1971 starb. Von 1903 bis 1971 schrieb sie Tagebuch, fast 34.000 Seiten. Diese Aufzeichnungen zeugen von einer Frau, die sich der Kunst und Literatur verschrieben hat, eine eigenwillige, kirchenferne Religiosität lebt und dabei politisch hellwach ist. Sie spiegeln das äußere wie das innere Leben: die Begegnungen mit Persönlichkeiten wie Benn, Picasso, Max Ernst, Max Reinhardt und die Chronik der politischen Katastrophen, daneben den Kampf um Selbständigkeit und geistige Orientierung in einer aus den Fugen geratenden Zeit. Die Buchausgabe enthält etwa ein Drittel des 'Jahrhunderttagebuchs', die CD-Rom erstmals den vollständigen transkribierten Text. Zu Thea Sternheim siehe auch Internetauftritt der Heinrich Enrique Beck-Stiftung, basierend auf dem Ausstellungs-Begleitband 'Keiner wage, mir zu sagen: Du sollst'.
  • Kurztext
    • Die ausgewählten Tagebücher Thea Sternheims - endlich wieder neu aufgelegt und jetzt ergänzend die gesamten Tagebuchaufzeichnungen auf CD-ROM: ein Panorama des kulturellen wie politischen Lebens im Deutschland und Frankreich des 20. Jahrhunderts.
  • Autorenportrait
    • Thea Sternheim (1883-1971) war die Tochter eines wohlhabenden Fabrikanten. Von ihm erbte sie ein Millionenvermögen. Von 1907 bis 1927 war sie in zweiter Ehe mit dem Schriftsteller Carl Sternheim verheiratet. Die Herausgeber Thomas Ehrsam, Germanist und Bibliotheksleiter der Museumsgesellschaft Zürich. Regula Wyss, Literaturwissenschaftlerin und Lehrbeauftragte an der Berufsmaturitätsschule und an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel. 2003 wurde Regula Wyss und Thomas Ehrsam der Carl-Otten-Preis für ihre editorische Leistung als Herausgeber der Thea-Sternheim-Tagebücher verliehen.
  • Leseprobe
    • Auszüge aus den Tagebüchern von Thea Sternheim Berlin, Meierottostrasse 10, 6. Juli 1928 Wie ich an der Fertigstellung des endlich mir von Frau Dr Nadel abgelieferten Schippelmanuskripts arbeite, überkommt mich gleich die Freude an der Arbeit an sich. Ach, das schlimmste an meinem jetzigen Lebenszustand ist vorzüglich die Tatsache, die Eingangspforte zu der mir gemässen Arbeit noch nicht überschritten zu haben und Mangel an Geduld. Im übrigen beeinflusst meine Gegenwart unbedingt die Entschlüsse der Kinder. Beide sehen ein, dass durch ernstliche Betätigung die finanzielle Lage unserer Zukunft sich ganz anders gestalten würde, als wenn wir zu dritt nur auf das vom Bilderverkauf zu entstehende Vermögen angewiesen sind. Zum erstenmal sind beide fieberhaft auf Anstellung bedacht. Mittagessen mit Klaus bei Rieder. Dann weitergearbeitet. Gewitterregen. Gegen sechs in das Stadtzentrum. In den eigentümlichen wieder neu aufgenommenen Film 'Gier nach Geld' zu dem die Billets nur mit der ausdrücklichen Begründung, dass keine Eintrittspreise zurückerstattet werden, verabfolgt werden. Dabei ist dieser Film, der bei seiner Premiere nur Skandal und fluchtähnliche Panik veranlasste, sicher einer der anständigsten, die je gedreht wurden. Stellenweise genial, manchmal in Sternheimsches Fahrwasser übergehend ist es gradezu Erlösung einmal etwas anderes als Edelmut und Schönheit gezeigt zu bekommen. Warum soll das Schäbige, das eine so ausschlaggebende Rolle im heutigen Leben spielt, nicht auch auf der Leinwand gezeigt werden? Ausgezeichnet die Hochzeit des amerikanischen Spiessers. Die danach einsetzende Brautnacht. Bravo Stroheim! Bei der Omnibusfahrt in den Westen werden mir an diesem Abend mehr Eröffnungen über das Leben der Grossstadt als sonst in Monaten. Die ist ein bis in den letzten Winkel mit ähnlichen Ereignissen wie den eben im Kino vorgeführten angefülltes Sodom! Aber auch die Gerechten sind am Werk: ach, meine Seele hat den ihr so oft ausgeteilten Segen eines lauteren Mannes wie Pater Franziskus es ist, schon wesentlich aus einer beruhigenden Wirkung gespürt. Um zehn bin ich in der Pension. Klaus, schon zu Bett, berichtet von Brohs telefonischem Anruf. Er habe schon wieder einen anpöbelnden Brief von Sternheim bekommen. Sonst sei Broh mit der ihm von mir erteilten Antwort in Sachen Henseler zufrieden. Dann vollende ich andächtig - o wie dankbar gegen Stendhal! 'Le Rouge et le Noir'. Taine, sagt man, soll dies Buch fünfzigmal gelesen haben. Auch ich werde es im Lauf meines Lebens auf zehnmal bringen. An diesem Abend bin ich selig meine grosse Liebe für Stendhal erneuern zu dürfen. Welches Glück käme dem Glücke gleich, ehrfürchtig sein zu können! Mit zwanzig, dreissig, vierzig Jahren stelle ich Stendhal als Glücksspender in mir fest. Das in seiner Gegenwart empfundene Glück ändert, vermindert sich nicht. Diesmal ist mir zu Mut, als ob ich aus Gründen der Gleichaltrigkeit (Stendhal schrieb Le Rouge et le Noir in demselben Alter, in dem ich mich jetzt befinde) dies Buch tiefer begriffe als je. Paris, 24. Mai 1945 Der sich die Führerschaft über den Kadaver Deutschland anmaassende Admiral Doenitz wird von den Alliierten dieses Amtes entsetzt, mit seinem Stab gefangen genommen. Ein Admiral von [Textlücke] (er ist einer derer, die die totale Übergabe unterzeichneten) nimmt sich bei dieser Gelegenheit in höchst folgerichtiger Weise das Leben. Es geht überhaupt wie im 5ten Akt eines Shakespeareschen Dramas zu. Der Henker Himmler, von den Engländern gefangen genommen, vergiftet sich, indem er ein im Mund verstecktes Röhrchen mit Ciankali aufknackt und verschluckt. Am Nachmittag besucht mich Ste Suzanne. Aufrichtige Freude den feigen, aber durch keine Mord- und Racheinstinkte belasteten Freund wiederzusehen! Während vier Stunden kommt kein Wort aus seinem Mund, das nicht von der Korrektheit seines Herzens zeugte. Er kehrt von Sevilla zurück, wo er Konsul war, und ist wie alle unter dem Regime Pétain Beamteten kaltgestellt. Wie schade, dass ein so vorzüglicher Kenner Deutschlands diese Kenntnisse nicht zum Nutzen der allgemeinen Befriedung anbringen kann! Begeht die provisorische Regierung nicht überhaupt einen Irrtum beim Epurationsverfahren sich den Forderungen der nicht urteilsfähigen Massen unterzuordnen? Zählt man die Opfer der Reinigungsaktionen zusammen, geht die Zahl der Gerichteten in die Tausende. Überdies lässt die jetzt überall angewandte Methode des kalten Terrors keine Romantik zu. Kein Lamartine vermöchte aus der russischen Revolution eine Geschichte der Gerondisten zu machen. Sogar die Götzendämmerung Deutschlands entbehrt der individuellen Anekdote. Einzig um Mussolini bildet sich ein Kapitel was man als 'Chronique italienne' bezeichnen könnte. Paris, 25. Mai 1945 Zum Hôtel Lutetia auf dem Raspail. Das Gerücht ging im Bistro, die ersten der nach Schweden geretteten Deportierten seien zurückgekehrt. Nichts dergleichen. Eine Weile sehe ich mir die unbeschreibliche Erregung der ihre Gefangenen Erwartenden an. Der Auskunft erteilende junge Mann bringt kaum die Kräfte auf, jedem der Fragenden Antwort zu geben. [] Paris, 28. Mai 1945 Der erkälteten Janie Bussy SOSruf. So sehr es mir widerstrebt, unabgesprochen in die Rue Vaneau vorzustossen, so sehr bin ich andererseits bedacht Janie, die so freundschaftlich mit mir war, nicht zu verletzen. Ich kaufe ihr die schönsten Kirschen, die ich auftreiben kann. Ich finde sie zum ersten mal ausser dem Bett mit Gide im Wohnzimmer Mme van Rysselberghes. Der Beiden offenbare Freude über meinen Auftritt. Ihre Herzlichkeit ist so aufrichtig, dass ich mir wie so oft in meinem Leben meine übertriebene Sensibilität vorwerfe. Ich hatte diese Sensibilität übrigens bereits abgelegt. Der Auftritt Ludovicos hat durch sein ausserordentliches Wissen um die Belange der Freundschaft noch einmal auch die mir eingeborene Begabung angefacht, mich sozusagen meiner Natur noch einmal zurückgegeben. Nichts ist erquickender als sich nicht anpassen zu müssen, seine Talente spielen zu lassen. Dass ich sie mit Janie und Gide in nur dosiertem Maass spielen lasse, steht fest. Dorothy Bussy ist bereits in London angekommen. Janie vergeht vor Erregung, der Mutter bald folgen zu können. Wie schon so oft berührt mich Simon Bussys selbstverständliche Ruhe angenehm. Gide möchte mir allerlei schenken. Deutsche Bücher, die man ihm widmete, die er aber nicht zu lesen vermag. Fast nie eine Geste bei ihm, die nicht gleichzeitig mit seinem Wohlwollen auch einen Degradationsfaktor einschlösse. Dass sich heute das Wohlwollen auf mich, das Degradationsverfahren auf einen anderen entlädt, spielt bei dieser Entdeckung kaum eine Rolle. Die Sonnenatmosphäre der Freundschaftlichkeit wird durch solche Finasserien getrübt. Gegen Abend kommt Maria van Rysselberghe überaus ermattet von dem Recensement aller Fremden in Frankreich zurück. Ohne den Reçensementvermerk auf den Idenditätspapieren bekommt man keine Alimentationskarte. In der ungeheuren Masse der Wartenden, der tagelang Wartenden sollen sich die tollsten Erregungszustände abgespielt haben. Wie der Jude unter dem Hitlerregime hat der Deutsche vor der universalen Gehässigkeit es bereits aufgegeben, sich über die Anmaassungen der Staatsgewalt aufzuregen. Paris, 25. Februar 1954 Das tragische Schicksal Wildes, das mich schon als junge Frau nachhaltig beeindruckte, Veranlassung zu einer nie auslassenden Beziehung gab, bewegt mich auch heute, nachdem fast - fünfzig Jahre nach unserer ersten Begegnung vergangen sind derart, dass ich die Nacht total schlaflos verbringe. Natürlich ist mein Fassungsvermögen anders geworden; ich begreife jetzt Dinge, die ich bei der ersten Lektüre nicht zu begreifen imstande war; andererseits scheint mir manches, das mir damals besonders wichtig vorkam, irrevalenter, ja mehr noch, ich muss Herman rechtgeben, der Wildes Aufzählung der für Alfred Douglas gemachten Ausgaben nicht besonders grosszügig findet - und doch bleibt 'De Profundis' eines der erschü...