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Im Dienst der Staatssicherheit

Eine soziologische Studie über die hauptamtlichen Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes
Krähnke, Uwe/Finster, Matthias/Reimann, Philipp u a
ISBN/EAN: 9783593505220
Umbreit-Nr.: 8869327

Sprache: Deutsch
Umfang: 323 S.
Format in cm: 2 x 21.5 x 14
Einband: Paperback

Erschienen am 15.03.2017
Auflage: 1/2017
€ 46,00
(inklusive MwSt.)
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  • Kurztext
    • Mielkes Männer und Frauen Obwohl das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als zentrales Herrschaftsinstrument der DDR seit der 'Wende' 1989 im Blickfeld der Öffentlichkeit steht, weiß man auch heute noch sehr wenig über die hauptamtlichen Mitarbeiter dieses Geheimdienstes. Als 'Schild und Schwert der Partei' bildeten die 78.000 Berufssoldaten und -offiziere in den MfSKreisdienststellen, Bezirksverwaltungen und der Berliner Zentrale das Rückgrat des SED-Regimes. Wie kamen 'ganz normale Menschen' dazu, in diesen Apparat einzutreten, dort langfristig mitzuarbeiten, sich in die Strukturen einzufügen und diese damit zu stabilisieren? Was waren ihre Motivationsgrundlagen und Wertvorstellungen? Wie gestaltete sich ihr Lebensalltag im Dienst der Staatssicherheit? Was wurde aus ihnen nach der Auflösung des MfS und dem Zusammenbruch der DDR? Wie bewerten sie selbst ihre MfS-Vergangenheit? Dieses Buch gibt, gestützt auf über 70 Interviews, in denen ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der 'Stasi' ihre Lebensgeschichten erzählen, die Antworten.
  • Autorenportrait
    • Uwe Krähnke, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig. Anja Zschirpe, Matthias Finster und Philipp Reimann arbeiten dort am DFG-Projekt 'Hauptamtliche Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit' mit.
  • Leseprobe
    • Vorwort Ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zum Sprechen zu bringen, gehört zu den schwierigsten Unterfangen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der DDR. Erstmals nach der Handvoll Interviewbände, die 1990/91 die Neugierde der Öffentlichkeit befriedigten, legen Uwe Krähnke und seine Mitstreiter mit diesem Band eine soziologische Studie vor, die frühere MfS-Offiziere verschiedenster Altersgruppen, Dienstränge und Lebenswege in Interviews einbezieht. Sie haben mit 72 ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausführlich über den Dienst beim MfS und ihre weiteren Lebenswege gesprochen. Allein schon dieser Zugang zum "Feld" macht ihre Studie zu einem Meilenstein. Dazwischen lagen fünfundzwanzig Jahre, in denen hauptsächlich die aktengestützte Rekonstruktion von ideologischer Formung und Feindbild-pflege, Rekrutierungspolitik, inneren Strukturen, Bezahlung, Disziplinarge-schehen usw. betrieben wurde. Ein solcher Zugriff machte es möglich, die "Black Box" Stasi-Apparat zu ergründen, aber er stößt naturgemäß an Grenzen, wenn es um das subjektive Empfinden der MfS-Offiziere in ihrer alltäglichen Dienstverrichtung und ihre rückblickende Selbstsicht geht. Zum anderen verteidigte eine Schar von ehemaligen Obristen und Generälen aus Standesorganisationen wie dem "Insiderkomitee" lautstark ihre Verfolgungspraxis. Und sie wachte darüber, dass keine "falschen Töne" aus dem Kreis der ehemaligen MfS-Mitarbeiter nach außen drangen. Diese Etappe neigt sich dem Ende zu. Aktenstudien zum MfS-Personal fördern kaum noch Neuigkeiten zu Tage, und die Erzählungen der greisen Obristen locken allenfalls noch einige gleichaltrige Mitstreiter an. Damit sind hergebrachte Paradigmen der Täterforschung einem frischen Blick zu unterziehen: Wie monolithisch war das Stasi-Personal? Was prägte ihr Selbstverständnis? Was wurde aus ihnen nach der Auflösung dieses Ministeriums und dem Beitritt der DDR zu ihrem früheren "Operationsgebiet"? Mit seinen soziologischen Interpretationsangeboten arbeitet das Autoren-team die inneren Logiken heraus, mit denen MfS-Mitarbeiter ihrem Leben im Getriebe der Geheimpolizei Sinn gaben. Wie es zeigt, formten die MfS-Mitarbeiter die Legitimationsideologie des "Tschekismus", also die Berufung auf die Mission der Geheimpolizei der Bolschewiki seit 1917, in verschiedene Variationen eines praktischen Alltagsbewusstseins um. Hierzu gehörte das Gefühl einer "dienenden Herausgehobenheit", aber auch der durchweg wiederkehrende Topos, selbst einer umfassenden gegenseitigen Beobachtung und Disziplinierung unterlegen zu haben - allerdings freiwillig im Unterschied zu den vom MfS Überwachten und Verfolgten. Der "tschekistische Habitus" prägte die MfS-Mitarbeiter mit einer frappierenden Intensität durch alle Generationen - und er bestimmt bis heute direkt oder indirekt ihre Erzählungen. Zugleich arbeitet das Autorenteam eine Typologie der konkreten Selbstverständnisse heraus, insbesondere für die Masse der jüngeren Mitarbeiter, die das vielbeschworene Erbe der Altkommunisten und Antifaschisten nicht mehr aus eigenem Erleben, sondern nur noch als familiäre und kollegiale Prädisposition kannten. Ein Solitär ist auch die Untersuchung der Lebenswege seit 1990. Bislang gibt es nur wenige Schlaglichter zu den Berufswegen, zum Umgang mit der eigenen Biografie und zu der Frage, ob die ehemaligen Geheimpolizisten politisch und mental in System und Lebenswelt der vergrößerten Bundesrepublik "angekommen" sind. Besonders anregend für die weitere Forschung ist schließlich auch die Beobachtung, dass Vernehmer oder Observationsexperten praktisch nie über ihre innere Haltung zur eigenen Rolle in der Verfolgungstätigkeit des MfS und über das Schicksal der von ihnen "bearbeiteten" Personen sprechen. Auch die Anwerbe- und Führungstechniken gegenüber Informanten tauchen hier nicht auf. Machte diese Arbeit ihnen Freude? Verschaffte sie ihnen Befriedigung? Und wie verarbeiteten sie den Schock