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Wie man lernt, Berliner zu sein

Die deutsche Hauptstadt als konjunktiver Erfahrungsraum, Interdisziplinäre Stadtforschung 18
ISBN/EAN: 9783593501840
Umbreit-Nr.: 6736652

Sprache: Deutsch
Umfang: 365 S., 7 Fotos
Format in cm: 2.2 x 21.2 x 13.8
Einband: Paperback

Erschienen am 02.10.2014
Auflage: 1/2014
€ 40,00
(inklusive MwSt.)
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  • Kurztext
    • Die klassischen Stadtforschungsdisziplinen haben die Frage, wie man Berliner wird, bislang nur am Rande gestreift. Brenda Strohmaier schließt diese Forschungslücke. Sie befragte sieben Gruppen unterschiedlicher Berliner zu den Besonderheiten der Hauptstadt - darunter wohlhabende Senioren, Plattenbaubewohner und junge Homosexuelle. Dabei zeigte sich, dass die Neuberliner die Besonderheiten der Stadt lernen müssen. Außer der schieren Größe der Stadt erweisen sich vor allem die Umgangsformen der Ortsansässigen als Herausforderung. Denn wer in Berlin ankommen will, muss zu allererst die Vorteile des Konzepts 'Berliner Schnauze' verstehen.
  • Autorenportrait
    • Brenda Strohmaier, Dr. des., ist Redakteurin im Stilressort der Welt am Sonntag.
  • Schlagzeile
    • Interdisziplinäre Stadtforschung
  • Leseprobe
    • 1. Einleitung: Fragestellung, Forschungsstand, Vorgehen 1.1. Sei Berlin Berlin birgt viele Rätsel für Neulinge, allein wegen seiner Metamorphose von der Mauerstadt zur Touristenattraktion. "Sind wir jetzt im Osten oder Westen?", hört man zum Beispiel oft von Besuchern, die durch die Stadt flanieren. Selbst Berliner können darüber an manchen Orten ins Grübeln geraten. Tatsächlich hat sich das wiedervereinte Berlin seit dem Fall der Mauer in vielerlei Hinsicht rasant gewandelt. Stadtteile wurden saniert, manche Viertel wie der Potsdamer Platz neu gebaut, die Einwohnerschaft einmal durchgemischt. 3,4 Millionen Berlinerinnen und Berliner registrierten die Statistiker im Jahr 2013. Die offizielle Prognose des Senats sagt für das Jahr 2030 voraus, dass rund 3,8 Millionen Menschen in Berlin leben werden. Damit könnte die Stadt sich wieder der Vier-Millionen-Marke nähern, die sie zuletzt während der 1920er-Jahre erreichte und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs hielt. In dieser Arbeit gehe ich mit Hilfe von Gruppendiskussionen der Frage nach, was heute das Besondere dieser Stadt ausmacht, die plötzlich wieder als attraktiv gilt. Ist dieses Nachwende-Berlin ein ganz anderes Berlin als das, was es die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte davor war? Oder ist sich die Stadt in wesentlichen Punkten treu geblieben? Und wenn ja, wie konnten diese Eigentümlichkeiten den rasanten Wandel und die zahlreichen Neuankömmlinge überstehen? Die Frage nach dem Besonderen der Stadt drängt sich auf. Berlin stellt schließlich wieder eine Möglichkeit dar, zu der sich immer mehr Menschen verhalten müssen, weil sie andere kennen, die schon da waren oder sind und davon berichten. Noch vor 25 Jahren musste die Bundesrepublik Gehälter in der Enklave subventionieren, um West-Berliner zum Bleiben zu bewegen. Heute zieht die Stadt mit wieder vereinten Kräften Menschen aus aller Welt an. Für Kreative avancierte sie zeitweise zum Mekka. So heißt es im Jahr 2010 im Katalog zu einer Ausstellung, die Berliner Nachwende-Kunst zeigte, die Stadt sei "zur international begehrtesten Adresse zeitgenössischer Kulturschaffender" geworden (Becker/Landbrecht/Schäfer 2010: 11). Auch Touristen und Unternehmen haben sich wieder an die Stadt erinnert, die um 1900 herum die prosperierendste Deutschlands war: Insgesamt sind pro Tag im Schnitt rund eine halbe Million Tagungs- und Übernachtungsgäste in Berlin unterwegs. Berlin ist zudem wegen seiner neuen Hauptstadtfunktion in den Medien omnipräsent - und sei es nur als Hintergrundbild in den Fernseh-Nachrichten. Somit wächst nicht nur die Einwohner- und Besucherzahl, sondern ebenso die Anzahl der Menschen, die sich in Gedanken mit dem Ort beschäftigen. Auch deshalb kursieren in allen möglichen Varianten Geschichten vom Wandel der Stadt, ihrer besonderen Attraktivität - aber auch von ihren speziellen Schrecken. Die Chemnitzer Band Kraftklub singt auf ihrem Album "Mit K", das es im Jahr 2012 auf Platz eins der deutschen Albumcharts schaffte: "Ich will nicht nach Berlin, auch wenn da alle meine Freunde sind." Selbst wenn Lokalpatrioten das kaum glauben mögen: Jahr für Jahr verlassen weit über 100.000 Menschen die deutsche Hauptstadt. Während Berlin vielen Menschen als Ort der unzähligen Möglichkeiten erscheint, stellt es für andere eine besondere Zumutung dar, das heißt eine Unmöglichkeit und somit das Gegenteil einer Chance. Offensichtlich - und dafür sprechen auch zahlreiche Berlin-Hassbücher - gibt es Leute, die sich der Aufforderung des offiziellen Berlin-Slogans verweigern, der da fordert: "Sei Berlin - be Berlin". Genau an diesem Punkt setzt die Fragestellung dieser Dissertation an: Was heißt denn "Sei Berlin" 20 Jahre nach der Wende? Kann man angesichts des rasanten Wandels der Stadt überhaupt noch ausmachen, was es typischerweise bedeutet, Berlinerin oder Berliner zu sein? Wer über die Aussage der Kampagne nachdenkt, dem stellen sich sogleich weitere, damit verbundene Fragen. Dazu gehört jene, wie