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Raum und Zeit

Denkformen des Politischen bei Hannah Arendt
ISBN/EAN: 9783593501116
Umbreit-Nr.: 5905181

Sprache: Deutsch
Umfang: 250 S.
Format in cm: 1.5 x 21.3 x 14.1
Einband: Paperback

Erschienen am 10.04.2014
Auflage: 1/2014
€ 35,00
(inklusive MwSt.)
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  • Kurztext
    • InhaltsangabeInhalt Danksagung7 Gegenwärtig sein - Hannah Arendt neu denken9 Karlfriedrich Herb, Mareike Gebhardt, Kathrin Morgenstern Der Raum und seine Grenzen Die republikanische Klaustrophobie - Politischer Raum bei Hannah Arendt27 Karlfriedrich Herb Zur Frage "Was ist Politik?" - Heideggers Erbe bei Arendt und Lefort38 Tobias Maier Hannah Arendt und die Grenzen des Politischen67 HansJörg Sigwart Zwischen Abgrenzung und Entgrenzung - Feministische Lesarten des öffentlichen Raums bei Arendt92 Magdalena Scherl Welt und Zeit Von der Zeitlichkeit zum öffentlichen Raum - Politik als "Sorge um die Welt"107 Ole Meinefeld "Ich will verstehen" - Geschichtenerzählen im Spannungsfeld von Amor Mundi und Weltverlust135 Kathrin Morgenstern Lieben oder Verzeihen? Fluchtpunkte des Politischen157 Gerson Brea Auf der Suche nach der unendlichen Zeit - Von Hannah Arendt zu Augustinus165 Placidus Bernhard Heider Welt "ohne Geländer" - Erweiterte Denkungsart und politische Urteilskraft bei Hannah Arendt im Anschluss an Immanuel Kant 175 Linda Ana Sauer Versprechen, Vergessen, Vereinsamen - Hannah Arendt und Friedrich Nietzsche als Denker politischer Zeitlichkeit196 Mareike Gebhardt Autorenverzeichnis227 Siglenverzeichnis231 Hinweise zu Verwendung und Zitation233 Literatur234 Personenregister244 Sachregister246
  • Autorenportrait
    • Karlfriedrich Herb ist Professor für Politische Philosophie an der Universität Regensburg. Mareike Gebhardt und Kathrin Morgenstern sind dort wissenschaftliche Mitarbeiterinnen.
  • Leseprobe
    • Danksagung Dieser Band ist das Ergebnis einer Tagung am 10. und 11. November 2011 in Regensburg, die sich unter dem gleichen Titel zur Aufgabe gemacht hatte, das Werk Hannah Arendts nicht nur über die Kategorie des Raumes zu erschließen, sondern auch die Kategorie der Zeit als eine wichtige Denkform in Arendts Philosophie zu markieren. Diesem Ziel folgt auch der vorliegende Band, der sich zunächst auf den Raum und seine Grenzen konzentriert, bevor es im zweiten Teil um das Verhältnis zwischen Welt und Zeit geht. Bei der Tagung im November 2011 und der Drucklegung des Bandes sind wir vom Regensburger Team tatkräftig und kompetent unterstützt worden. Unser besonderer Dank gilt deshalb Sabine Hausner, Magdalena Scherl, Philipp Heil, Georg Jürgens, Matthias Gilch, Kathrin Stürmer und Franziska Sörgel. Wir möchten an dieser Stelle der Katharina und Leonhard Deininger-Stiftung für ihre großzügige Förderung der Tagung sowie der Publikation herzlich danken. Karlfriedrich Herb, Mareike Gebhardt, Kathrin Morgenstern Gegenwärtig sein - Hannah Arendt neu denken Karlfriedrich Herb, Mareike Gebhardt, Kathrin Morgenstern Ich bin nicht Stiller, so beginnt Max Frisch seinen gleichnamigen Roman. Ich bin keine Philosophin, so versteht sich Hannah Arendt in ihrem berühmten Gespräch mit Günter Gaus. Damit überschreibt die Autorin ihr Werk als Politische Theorie, das wir bis heute hartnäckig als Politische Philosophie lesen. Das Leben, das Hannah Arendt geführt, und das Werk, das sie uns zu denken gegeben hat, machen ihren Eigensinn verständlich. Die ersehnte Zuflucht in der Philosophie hat sie anfangs nicht gefunden und am Ende nicht mehr gesucht. Der Abschied von der Philosophie sollte endgültig sein, selbst dann noch, als sie sich in ihrem Spätwerk klassischen Fragen der Philosophie zuwandte. "Denken ohne Geländer" (IWV 113) nannte Arendt den Habitus, der ihrer Bodenlosigkeit und Haltlosigkeit auf eigentümliche Weise Rechnung trägt: Die Erfahrung dieser Ortlosigkeit prägte ihre Raumtheorie zutiefst, die immer der Versuch war, dem Politischen eine Heimat zu geben. Die Denkerin des suchenden Gesprächs, des politischen Wettstreits und des gemeinsamen Handelns entpuppt sich selbst als Einzelkämpferin, als Solitärin. Die Republik der Freien und Gleichen, für die sie ein Leben lang geworben hat, ist Privatsache geblieben. Mag sein, dass dieser Widerspruch zur Textur ihres Lebens und ihres Werkes gehört. Selbstbewusst jedenfalls hat sie auf ihrer Stellung als paria in der Gesellschaft der Philosophen beharrt. Dabei hat der Eigenwille, der Arendts politisches Denken auszeichnet, den Erfolg und die Wirkung ihres Werkes keineswegs beeinträchtigt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Rehabilitierung der Politischen Philosophie am Ende des 20. Jahrhunderts trägt ihre Handschrift. Für die Wiederentdeckung des Politischen wird sie von Neoaristotelikern, Nachdenkern der Republik, Verweigerern der Moderne und Partisanen der Postmoderne gleichermaßen gefeiert, freilich aus unterschiedlichen Motiven. Tatsächlich hat Arendt den öffentlichen Raum emphatisch und beharrlich als den eigentlichen Ort der Freiheit, als Heimstätte des Politischen und Geburtsstätte des bürgerlichen Menschen gefeiert. Allein hier sind, wenn überhaupt, Freiheit und Authentizität zuhause. Auf den ersten Blick wirkt Arendts Landkarte des Politischen sehr übersichtlich. Sie ist durch eine trennscharfe Unterscheidung von Öffentlichem und Privatem leicht lesbar. Arendt zieht die Aristotelischen Grenzlinien zwischen polis und oikos nach, jedoch ohne an ihre Umsetzbarkeit zu glauben. Vom ersten Gedanken an ist ihre Theorie des öffentlichen Handelns eine Theorie der Bedrohung und Auflösung des politischen Raums. Diese Dekadenz trägt einen unverdächtigen Namen: die bürgerliche Gesellschaft. Ihr fataler Triumph in der Moderne ruiniert die Grenzen des Politischen und Privaten und besiegelt einen Niedergang, der weit über das Politische hinausgeht und das Schicksal der Menschen im Ganzen markiert. In diesem Sinne kann man die Phänomenologie des öffentlichen Raumes in ihrem Hauptwerk Vita activa (1958) als eine Pathologie des Politischen lesen. Bereits in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1951) stößt man auf Spuren einer Theorie des politischen Raumes. Wer könnte übersehen, wie beharrlich Arendt in eigenem Namen die strikte Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum fordert, wie sehr ihr an der Reinheit des Politischen gelegen ist. Schließlich lässt sie an ihrem Reinheitsgebot sogar die Französische Revolution als apolitisch scheitern. Unmissverständlich zeigt sie, welch drastische Therapien nötig wären, um die modernen Staaten zur Wiederherstellung dieser Reinheit und zur Regeneration der Politik zu bewegen. All dies ist bekannt und so oft beschrieben worden, dass zuweilen der Eindruck entstehen muss, Arendts politisches Denken erschöpfe sich geradezu in dieser Phänomenologie des politischen Raumes. Der erste Eindruck trügt. Arendts politische Philosophie lässt sich - so die gemeinsame Überzeugung der Autorinnen und Autoren dieses Bandes - erst dann ganz entschlüsseln, wenn sie aus dem Zusammenspiel der Denkformen des Raumes und der Zeit verstanden wird. Insofern hat der Titel Raum und Zeit durchaus programmatischen Charakter. Nicht ganz ungewollt ist, wenn der Titel des Bandes auch an Immanuel Kant denken lässt. Schließlich gehören Raum und Zeit für Kant in der Kritik der reinen Vernunft zu den apriorischen Anschauungsformen, die all unser Wissen von der Welt konstituieren und somit Erfahrung, Erkenntnis und Wissenschaft möglich machen. In verwandelter Form verfolgt dieser Band ein solches Kantisches Projekt: Es geht darum, Raum und Zeit als die beiden gleichursprünglichen und gleichwertigen Denkformen des Politischen bei Hannah Arendt zu begreifen. Es versteht sich von selbst, dass sich eine solche Neulektüre nicht auf eine Analyse der Vita activa, ja auch nicht auf den weiteren Rahmen der politisch relevanten Werke Arendts beschränken kann. Sie verlangt vielmehr die Konfrontation mit sämtlichen Schriften. Insofern zielen die folgenden Beiträge auf eine Interpretation des gesamten uvres von Arendt. Sie zeigen, dass das Zusammenspiel von Raum und Zeit ein Grundproblem darstellt, das Arendts Werk im Ganzen markiert: von ihrer Dissertation über Augustinus bis in ihre allerletzten Veröffentlichungen. Selbst ihr unvollendetes Projekt der politischen Urteilskraft ringt noch mit der Frage, wie sich das Politische in seiner raumzeitlichen Bedingtheit denken lässt. Gerade im Spätwerk wird sichtbar, dass die Denkformen von Raum und Zeit nicht nur die Textur ihrer Schriften zur vita activa prägen, sondern auch ihre Versuche zur vita contemplativa dominieren. Insofern sind beide Daseinsformen auch für die Grundproblematik von Arendts Werk und Leben von immenser Bedeutung: Wie lassen sich Politik und Philosophie in ein versöhnliches Verhältnis bringen, so dass der politischen Philosophie die Qual der Wahl zwischen Politik und Philosophie erspart bleibt? Räumliches, Allzuräumliches - Politisches Handeln im Zwischenraum Wer sich auf die Suche nach den zentralen Referenzpunkten der Arendtschen Theorie des politischen Raums begibt, wird in ihren beiden wichtigsten Werken aus den fünfziger Jahren fündig: Sowohl in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft als auch in der Vita activa erscheint der Raum als die politische Kategorie schlechthin. Die Dominanz der Raumkategorie ist hier so offensichtlich, dass die Forschung den Raum gleichsam zur wichtigsten Denkfigur in Arendts politischer Theorie erklärt hat. Sieht man näher hin, so beruht eine solche Auszeichnung häufig auf einer ontologischen Interpretation des Raums. Der Raum wird als substantielle Grundlage verstanden, die dem Handeln vorausgeht und politisches Handeln in unterschiedlichen Manifestationen ermöglicht. Unser Vorschlag zur Neulektüre der Arendtschen Raumtheorie nimmt Abstand von solchen Versuchen, das Wesen des öffentlichen Raumes au...