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Die Europäisierung Russlands

eBook - Moskau zwischen Modernisierungspartnerschaft und Großmachtrolle
ISBN/EAN: 9783593412108
Umbreit-Nr.: 3385058

Sprache: Deutsch
Umfang: 284 S., 5.90 MB
Format in cm:
Einband: Keine Angabe

Erschienen am 19.04.2012
Auflage: 1/2012


E-Book
Format: PDF
DRM: Digitales Wasserzeichen
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  • Zusatztext
    • Russland ist eine europäische Großmacht. Zugleich befand sich das Land nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in einem umfassenden Wandel, was in einer Reihe von Modernisierungsstrategien zum Ausdruck kam. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2012, die Wladimir Putin gewann, analysieren Gernot Erler und Peter W. Schulze den widersprüchlichen, aber unaufhaltsamen Prozess der Annäherung zwischen Europa und Russland und seine Folgen für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Mit Blick auch auf die Umbrüche im internationalen Staatensystem leiten sie Prognosen sowie Empfehlungen für die europäische und deutsche Politik ab.
  • Kurztext
    • Russland ist auf dem Weg, eine europäische Großmacht zu werden. Zugleich befindet sich das Land in einem umfassenden Wandel, was in einer Reihe von Modernisierungsstrategien zum Ausdruck kommt. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2012 analysieren Gernot Erler und Peter W. Schulze den widersprüchlichen, aber unaufhaltsamen Prozess der Annäherung zwischen Europa und Russland und seine Folgen für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Mit Blick auch auf die Umbrüche im internationalen Staatensystem leiten sie Prognosen sowie Empfehlungen für die europäische und deutsche Politik ab.
  • Autorenportrait
    • Gernot Erler, Dr. h. c., Historiker und Slawist, war von 1987 bis 2017 für die SPD Mitglied des Bundestags; von 2005 bis 2009 war er Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen, von 2014 bis 2018 Russland-Beauftragter. Peter W. Schulze, PD Dr. pol., war Honorarprofessor am Seminar für Politikwissenschaft der Universität Göttingen; von 1992 bis 2003 leitete er die Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland.
  • Leseprobe
    • Die Europäisierung Russlands ? das ist insofern ein mutiger Titel, als er die These enthält, dass Russland sich tatsächlich europäisiere oder sich gar schon europäisiert habe. Der Begriff "Europäisierung" mit all seinen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen suggeriert Annäherung durch Veränderung. Aber was bedeutet Annäherung an Europa, wenn die Rede ist von diesem größten östlichen Nachbarn der Europäischen Union, der geographisch seinen unverrückbaren Platz auf dem Boden zweier Kontinente einnimmt und ihn schwerlich verändern wird?<p>Die Russische Föderation, 1990 entstanden im Prozess der Auflösung der Sowjetunion, bedeckt mit ihren über 17 Millionen Quadratkilometern große Landflächen Europas und Asiens. Das schafft Optionen. Wohin sich ausrichten? Diese Frage beschäftigt das Land seit dem begeisterten und brutal entschlossenen Westler Peter dem Großen über die auch kulturell und reli­giös geprägten Kontroversen zwischen Slawophilen und Zapadniki im 19. Jahrhundert bis zu dem heutigen Führungsduo Putin und Medwedew. Die Idee von "Ewrazija" (Eurasien) unterstellt, eine eindeutige Festlegung könne auch vermieden werden, und sucht Russlands Rolle als Brückenbauer zwischen den Kontinenten. Solche Gedanken haben mal mehr, mal weniger Konjunktur, prägen aber meist eher die Leitartikel als die Politik.<p>In der realen russischen Entwicklung dominiert, was sich dann als "Europäisierung" zusammenzufassen rechtfertigen lässt, wenn man eine breit gefächerte Definition wählt. Danach würde Europäisierung im Fall Russlands folgende Tendenzen umfassen: Intensivierung der politischen Beziehungen EU-Russland, Gemeinsamkeiten mit Europa bei der Wahrnehmung von Sicherheitsverantwortung, Erweiterung der wirtschaftlichen Kooperation mit Europa unter Wahrung der Interessen beider Seiten, Partnerschaft mit Europa in globalen Fragen wie Klimaschutz, Energieversorgung, Wassermanagement und Sicherstellung von Nahrungsmittelverteilung und schließlich eine Weiterentwicklung von Politik und Gesellschaft im Sinne gemeinsamer europäischer Werte wie Demokratie, Geltung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft sowie Teilhabe und Mitverantwortung einer mit eigenen Rechten und Wirkungsmöglichkeiten ausgestatteten Zivilgesellschaft.<p>Europäisierung schließt in diesem Kontext auch die Beachtung wichtiger Erfahrungen aus der Entwicklung der Europäischen Union selbst ein. Deren Aufwuchs zu einem Zusammenschluss von 27 Staaten, mit der vorbereiteten Aufnahme von Kroatien im Jahr 2013 als 28. Staat sowie der Beitrittsper­spektive für weitere sieben an der Integration interessierter Staaten - das alles belegt (trotz der ernsthaften Finanz- und Verschuldungskrise der Jahre 2011/2012) die anhaltende Attraktivität einer Staatenunion, in der Interessen- und Nachbarschaftskonflikte gewaltlos und zivilisiert gelöst werden, in der von dem gemeinsamen Wirtschafts- und Rechtsraum alle beteiligten Länder profitieren und in der Prinzipien gegenseitiger Solidarität gelten, die eine Wahrung annähernd vergleichbarer Lebensstandards einschließen. Im Zuge der Vergemeinschaftung ihrer Außen- und Sicherheitspolitik wächst die EU auch schrittweise in die Rolle eines Global Players hinein, die für keinen der einzelnen Mitgliedsstaaten allein erreichbar wäre. Dass die EU es vermochte, nach den Weltkriegskatastrophen des 20. Jahrhunderts eine kontinentale Neuordnung der Stabilität, des friedlichen Zusammenlebens und der nachhaltigen Prosperität aufzubauen, wird weltweit anerkannt.<p>Für die Russische Föderation lautet daher die politische Botschaft dieser Erfolgsgeschichte ihrer westlichen Nachbarn: Es könnte sich lohnen, im Großraum der ehemaligen Sowjetunion mit den zwölf verbliebenen Einzelstaaten Beziehungen auf der Basis der europäischen Erfahrungen aufzubauen. Europäisierung würde dann heißen, dies nach den Prinzipien der gewaltlosen und friedlichen Lösung von Nachbarschafts- und Interessenkonflikten und der Bildung von gemeinsamen Wirtschaftsräumen auf der Basis von gleichen Rechten und wechselseitigem Vorteil anzustreben, unter Verzicht auf eine klassische Vormachts- und Einflusspolitik, deren Zukunftslosigkeit sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrfach erwiesen hat. Eine solche Neuordnung regionaler Beziehungen müsste dann nicht nur für den GUS-Raum gefunden werden, sondern auch für westliche Nachbarstaaten wie die baltischen, die als frühere Sowjetrepubliken seit 2004 der EU zugehören, und die heutigen osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten, die einst zum Warschauer Vertragssystem zählten. Dabei ließen sich die verschiedenen EU-Regionalstrategien nutzen, die jeweils gemeinsame Programme für GUS- und EU-Staaten anbieten, besonders die "Östliche Partnerschaft", aber auch die Ostseeraumstrategie und die Schwarzmeerkooperation.<p>Dieser Band schreitet nicht alle Politikfelder für eine Europäisierung Russlands im beschriebenen Sinne in gleicher Intensität ab. Zu manchen Stichworten und Themen wünschte man sich weitere Ausführungen oder gar zusätzliche Kapitel. Im Ergebnis gibt es Bereiche, wo sich russische Europäisierungsschritte klar abzeichnen, und andere, wo diese eher Optionen für die Zukunft darstellen. Im Folgenden will ich versuchen, eine Übersicht zu den Ergebnissen der jeweiligen Fragestellungen zu gewinnen und resümierend darzustellen. Dem soll sich eine Betrachtung der aktuellen Ereignisse in Russland nach den Dumawahlen vom 4. Dezember 2011 im Lichte der Europäisierungsthese anschließen.<p>