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Hans Joas in der Diskussion

Kreativität - Selbsttranszendenz - Gewalt
ISBN/EAN: 9783593395241
Umbreit-Nr.: 1112802

Sprache: Deutsch
Umfang: 168 S.
Format in cm: 1.1 x 21.1 x 14.1
Einband: Paperback

Erschienen am 19.04.2012
Auflage: 1/2012
€ 28,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • InhaltsangabeInhalt Vorwort7 Zur Einleitung Pragmatik und Widerstreit Heinrich Wilhelm Schäfer11 Hans Joas und sein Werk Christoph Markschies19 Pragmatismus Kreativität und Abduktion Hermann Deuser35 Antwort auf Hermann Deuser Hans Joas49 Religion Religionsanalyse im Zusammenhang mit einer pragmatistischen Handlungstheorie Hans G. Kippenberg59 Antwort auf Hans Gerhard Kippenberg Hans Joas79 Normativität Wertbindung ohne Relativismusfalle? Lutz Wingert89 Antwort auf Lutz Wingert Hans Joas113 Krieg Die Sozialtheorie und das Problem des Krieges Wolfgang Knöbl121 Antwort auf Wolfgang Knöbl Hans Joas137 Menschenrechte Die Sakralität der Person Hans Joas147 Die Autoren167
  • Kurztext
    • Die Themen Kreativität, Selbsttranszendenz und Gewalt erzeugen in der Forschung des Soziologen und Sozialphilosophen Hans Joas eine Spannung, aus der ein kreativer und eigener Denkansatz in der deutschen Sozialwissenschaft entstanden ist. Er schöpft aus der Quelle einer langjährigen Auseinandersetzung mit dem US-amerikanischen Pragmatismus und seiner Betonung der Bedeutung menschlicher Handlungen. Daraus hat Joas eine eigene Position zur Entstehung von Werten und Normen entwickelt. Seine neueren Forschungen zur Entstehung der Menschenrechte als einem Prozess der Verarbeitung von Gewalterfahrung sowie der Sakralisierung der Person setzen dieses Programm konsequent fort.
  • Autorenportrait
    • Hans Joas, geb. 1948, ist Soziologe und Sozialphilosoph. Er lehrt als Ernst-Troeltsch-Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin und ist außerdem Professor und Mitglied des Committee on Social Thought an der University of Chicago. Von 2011-2014 war er Fellow am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS). Zuvor war er Leiter des Max-Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt. Der Herausgeber Heinrich Wilhelm Schäfer ist Professor für Religionssoziologie und Evangelische Theologie an der Universität Bielefeld.
  • Leseprobe
    • Die wichtigste theoretische Quelle für Hans Joas war der US-amerikanische Pragmatismus. Dessen Einfluss war entscheidend, um aus der sozial­wissenschaftlichen Zwickmühle zwischen Funktionalismus und Phäno­menologie heraus zu navigieren. Der evangelische Theologe und Pragmatismus-Experte Hermann Deuser macht die Besonderheiten der Joas'schen Rezeption zum Thema. Die Auseinandersetzung mit William James, John Dewey und vor allem George Herbert Mead - weniger mit Peirce - schärfte den Fokus auf die Prozesse der Bildung des Selbst aus zeichenvermittelten sozialen Relationen, ein zentrales Moment für die Entwicklung einer Deskription der Entstehung wert­orientierter Haltungen wie etwa religiöser Überzeugungen. Die Quellen von Joas' religionssoziologischer Arbeit werden vom Bremer Religionswissenschaftler Hans G. Kippenberg ausgelotet und auf ihre Wasserqualität überprüft. Am Beispiel des Handlungsfeldes Religion wird deutlich, wie weit der pragmatische Ansatz in den Sozialwissenschaften reicht, wenn es darum geht, die Alternativen von rationalistischer Zweck- und funktionalistischer Normenorientierung zu überwinden. Kippenberg stellt hier den pragmatistisch gefassten Begriff der Situation in den Mittelpunkt. Von diesem Situationsbegriff her lässt sich, im Zusammenspiel mit der Mead'schen Theorie der Selbstbildung, ein flexibles Konzept kreativen Handelns erzeugen, welches gleichwohl nicht rational individualistisch ausfällt, sondern Wertbildung und Wertbindung plausibel macht. Eine tiefer greifende Beschäftigung mit Max Weber wäre hier aus Kippenbergs Sicht von Nutzen - ein Monitum freilich, welches Joas, der ja vor allem auf Ernst Troeltsch zurückgreift, nicht unerwidert lässt. Ein Disput von einiger Grundsätzlichkeit und Tragweite entspinnt sich in der nächsten Disputationsrunde zwischen Lutz Wingert und Hans Joas. Der Züricher Sozialphilosoph und Habermas-Schüler formuliert - mit einem deutlich sichtbaren Satzzeichen - die Frage nach einer "Wertbindung ohne Relativismusfalle?". Mit dem genauen Blick eines auch in der analytischen Philosophie geschulten Gelehrten prüft Wingert Schritt für Schritt und mit feinstem Augenmaß Joas' normrelevante Konzepte, die um den Begriff des Wertes kreisen. Wingerts vorsichtige Archäologie fördert zunächst mehr Kompatibilität zutage, als man erwartet hätte - um freilich zielsicher die Wertegeneralisierung als zentrales Problem anzusteuern. Die Relativismusfalle sei (noch) nicht zugeschnappt, wohl aber gespannt. Joas würdigt seinerseits Wingerts Beitrag als "den meines Wissens ersten gründlichen Versuch aus der Habermas-Schule", sich mit seinem Werk auseinanderzusetzen, und profiliert scharf die Notwendigkeit einer erfahrungsgestützten Verschränkung von Argument und Narration für die Hervorbringung gerade von universalen Geltungsansprüchen wie dem der Menschenrechte. Die Entscheidung über die Frage, ob die Relativismusfalle tatsächlich noch gespannt ist, hängt jedenfalls von einer deskriptiven Aussage über die Falle ab. Auf Weiteres darf man gespannt sein. Dass noch manches Weitere aus einem pragmatistisch orientierten Ansatz in den Sozialwissenschaften erwartet werden kann, wird an Wolfgang Knöbls Beitrag zur Disputation deutlich. Der Göttinger Soziologe überführt Denkimpulse des Joas'schen Ansatzes - insbesondere aus Joas' eigener makrosoziologischer Beschäftigung mit der Kriegsproblematik - in seine Forschungsgebiete der international vergleichenden Makrosoziologie sowie der historischen politischen Soziologie. Frühere Kooperationen zwischen Joas und Knöbl bezogen sich schon unter anderem auf das Gebiet der soziologischen Kriegsforschung, die - nach Joas - eher die Verdrängung des Krieges aus dem sozialwissenschaftlichen Blick als seine (Ursachen-)Analyse bewerkstelligt hat. Knöbl zeigt mit einem reflexiven Blick auf herrschende Theoriestränge, wie das Phänomen des Krieges unter makrosoziologischen Prozesstheorien über die Entstehung der Moderne (Modernisierung, Differenzierung, Säkularisierung) derart verdeckt wird, dass diese Theoreme geradezu den Charakter von Kampfbegriffen annehmen. Dagegen sei eine nicht-rationalistische Theorie des Krieges nötig, die eine Orientierung am Werk Charles Tillys mit einem pragmatistischen Blick auf die nicht-rationale, kontingente - und darin eben auch historisch potentiell innovative - Dynamik von Gewalt verbindet. Joas nimmt den Ball auf, indem er die "harten Prozessbegriffe" als einen Versuch auffasst, dem Problem der historischen Vernunft eine nach-Hegelianische Lösung angedeihen zu lassen. Stattdessen seien Methoden der Fallanalyse und Fallgeneralisierung angebrachter. Es sei vielmehr nötig - wie von Knöbl gefordert - die Joas'sche Theorie des kreativen Handelns mit historischen Prozesstheorien zu verbinden, wofür das Makroereignis Krieg ein wichtiger Testfall sei.