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Sexuelle Politiken

Die Diskurse zum Lebenspartnerschaftsgesetz, Politik der Geschlechterverhältnisse 45
ISBN/EAN: 9783593393025
Umbreit-Nr.: 1154544

Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format in cm: 2 x 21 x 14
Einband: Paperback

Erschienen am 14.02.2011
Auflage: 1/2011
€ 41,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Die Debatte über die gleichgeschlechtliche Ehe beschäftigt seit geraumer Zeit Gesellschaft wie homosexuelle Emanzipationsbewegungen, wobei verschiedene Vorstellungen von Gleichstellung und politischer Partizipation kollidieren. Heike Raab analysiert die unterschiedlichen sexuellen Politiken, die in dieser Auseinandersetzung zum Tragen kommen. Am Beispiel der politischen Prozesse um die Homo-Ehe-Gesetzesinitiative erforscht sie lesbisch/ schwule Identitätspolitiken und zeigt, wie sich im politischen Raum Veränderungen vollziehen.
  • Autorenportrait
    • Heike Raab forscht und lehrt zu feministischen und queeren Disability Studies an der Universität Innsbruck und ist Mitglied des DFG-Forschungsnetzwerks "Praxeologien des Körpers".
  • Schlagzeile
    • Politik der Geschlechterverhältnisse
  • Leseprobe
    • 1. Einleitung "Eine emanzipierte Gesellschaft jedoch wäre kein Einheitsstaat, sondern die Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen. Politik, der es darum im Ernst noch ginge, sollte deswegen die abstrakte Gleichheit der Menschen nicht einmal als Idee propagieren." Im Bereich sexueller Politiken hat in Deutschland bislang wohl kaum ein anderes Thema Politik, Staat und Gesellschaft mehr beschäftigt als die Forderung nach der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Gleichzeitig zeigt die Debatte über die so genannte Homo-Ehe, dass die gegenwärtige Situation der bundesdeutschen Homo-Emanzipationsbewegungen von tiefgreifenden Auseinandersetzungen um sexual-emanzipatorische Politiken geprägt ist. Zwar wurde allgemein das vormals bestehende Ehe-Verbot für Lesben und Schwule als Diskriminierung bewertet, aber in der Einschätzung dieser Diskriminierung kommen deutlich unterschiedliche Auffassungen zum Tragen. So veranschaulicht die Homo-Ehe-Gesetzesinitiative in Deutschland einerseits den zunehmenden Erfolg identitätsbezogener lesbisch/schwuler Integrations- und Minderheitenpolitiken, zugleich wird aber auch der sexual-emanzipatorische Gehalt der identitäts- und integrationspolitischen Maß- nahmen hinterfragt. Mit anderen Worten: Der Ruf nach der Homo-Ehe führt geradewegs zu einer Kontroverse innerhalb der Homo-Emanzipationsbewegungen. Gerade vor dem Hintergrund der (traditionellen) Ehe als staatlicher Grundsäule der hegemonialen (hetero-)sexuellen Ordnung, kann der Disput um die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare somit als Ort unterschiedlicher Sichtweisen darüber angesehen werden, wie im politischen Raum Veränderung entsteht. Die ans Tageslicht getretenen verschiedenartigen Vorstellungen hinsichtlich gesellschaftlicher Gleichstellung und politischer Partizipation verweisen somit auf einen gewichtigen Faktor in der Debatte um das Homo-Ehe-Gesetz. Doch die mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz verbundene politische Kontroverse enthüllt nicht nur eine grundlegende Skepsis gegenüber spezifischen Identitätspolitiken innerhalb der Homo-Emanzipationsbewegungen. Vielmehr signalisiert das Inkrafttreten des Gesetzes zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften am 1. August 2001 den vorläufigen Höhepunkt eines langwierigen dramatischen Wandels im Verhältnis von Homo-Emanzipationsbewegungen und Staat. 1.1 HomoEmanzipationsbewegungen und Staat Das Ziel dieser Studie ist diesen Wandel zu erklären und die kontemporären Beziehungen zwischen Homo-Emanzipationsbewegungen und Staat am Beispiel des Homo-Ehe-Gesetzgebungsprozesses in Deutschland zu untersuchen. Denn historisch betrachtet ist die Regulierung von Homosexualität durch den Staat in der Hauptsache durch Kriminalisierung und Diskriminierung gekennzeichnet. Zu nennen sind hier einerseits gesetzliche Verbote, wie sie etwa in Deutschland im Paragraph 175 Strafgesetzbuch (StGB) zum Ausdruck kommen, sowie wissenschaftliche Diskurse, die zunächst männliche, später jedoch auch weibliche Homosexualität stigmatisieren und zur Krankheit erklären. Mit Michel Foucault gesprochen, ist es die Epoche der Entdeckung der modernen Sexualität, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu veränderten staatlichen Regulierungsmaßnahmen führt. Einmal durch staatliche Gesundheits- beziehungsweise Hygiene- und Familienpolitiken oder Bevölkerungskontrolle in Gestalt der Novellierung des Sexualstrafrechts und des Ehe- beziehungsweise Familienrechts, zum anderen durch wissenschaftliche Konstruktionen von sexuellen Devianzen, die von legitimen Formen der Sexualität scharf unterschieden werden. Innerhalb dieser staatlichen Regulationsweise des Sexuellen konstituieren sich jedoch auch die Vorläufer der modernen Homo-Emanzipationsbewegungen. Es ist die Zeit der Homophilenbewegungen. Das theoretische und politische Fundament der so genannten Homophilenbewegungen entsteht somit Ende des 19. Jahrhunderts. Im Kampf um Anerkennung müssen die Homophilen-Organisationen oftmals unter prekären Bedingungen agieren, da - wie weiter oben geschildert - staatliche Sexualpolitik in der deutschen Monarchie um die Jahrhundertwende Homosexualität kriminalisiert und pathologisiert. Im Vordergrund der Aktivitäten steht Aufklärungsarbeit und Werbung bei Medizinern, Sexualwissenschaftlern sowie Psychologen ebenso wie in der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft. Kurz: Es handelt sich um eine Strategie allmählicher Überzeugungsarbeit.