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Welt ohne Wasser

Geschichte und Zukunft eines knappen Gutes
ISBN/EAN: 9783593390376
Umbreit-Nr.: 1280873

Sprache: Deutsch
Umfang: 260 S.
Format in cm: 1.8 x 21.4 x 14
Einband: kartoniertes Buch

Erschienen am 05.10.2009
Auflage: 1/2009
€ 29,00
(inklusive MwSt.)
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  • Autorenportrait
    • Peter Cornelius Mayer-Tasch ist Professor für Politikwissenschaft und Rechtstheorie an der Universität München, Rektor der Hochschule für Politik, München, sowie Gründer und (mit Prof. Dr. Franz- Theo Gottwald und PD Dr. Franz Kohout) Leiter der Forschungsstelle für Politische Ökologie.
  • Schlagzeile
    • Wasser - die Ressource
  • Leseprobe
    • Deutsche und europäische Wasserpolitik Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte man, dass die Cholera- und Typhusepidemien in einem Zusammenhang mit der Verunreinigung des Wassers standen. Im Zuge der Industrialisierung war der Wasserverbrauch indessen nicht nur aufgrund des enormen Bedarfs der neuen Fabriken gestiegen, auch der Zustrom großer Bevölkerungsteile in die Städte erhöhte den Wasserkonsum enorm. Da es fast nirgends ein ausgebautes Kanalisationssystem und noch weniger umweltrechtliche Vorschriften gab, war die Gefahr, zu erkranken, sehr hoch. Der Ausbau der Wasserversorgungssysteme lag anfangs nicht selten bei privaten Unternehmen; doch wurde die Verantwortung der Versorgung schließlich von der öffentlichen Verwaltung übernommen, nachdem im Zuge des schnellen Wachstums der Städte die nötigen Ausbaumaßnahmen zu teuer wurden. Dass die Wasserversorgung lange Zeit nur in einer Hand lag, ist nicht verwunderlich, da es sich bei der Wasserversorgung um ein so genanntes natürliches Monopol handelt. Die Kosten für den Ausbau eines parallelen Versorgungsnetzes wären so hoch, dass letztlich nur ein Unternehmen auf dem Markt dauerhaft überlebensfähig wäre. Diese Markteintrittsbarriere verhindert schließlich das Entstehen eines Wettbewerbs auf dem Wassersektor, weshalb es hier auch zu keinem Wettbewerb im Markt kommt, sondern nur zu einem Wettbewerb um den Markt. Der Wettbewerb geht also nicht um den Kunden, sondern um die Monopolrechte. Im Gegensatz zu vielen anderen Versorgungssystemen ist eine netzunabhängige Wasserversorgung nicht vorstellbar. So war es zwar möglich, dass das Transport-Monopol der Eisenbahn durch die Entwicklung des Automobils oder das Kommunikations-Monopol des Telefons durch die Erfindung drahtloser Datenübertragungstechniken gebrochen werden konnten, für die Wasserwirtschaft ist die Entwicklung einer netzungebundenen Alternative nach dem heutigen Stand der Technik jedoch nicht vorstellbar. Denkbar für den Wassermarkt wäre hingegen, dass - ähnlich wie für den Strom- und Telekommunikationsmarkt - der Netzbetreiber gegen Entgelt Kapazitäten abgibt und somit durch die Verfügbarmachung der Infrastruktur den Weg für den Wettbewerb freimacht. Ebenso könnte der Markt geöffnet werden, indem die Wasserver- und Abwasserentsorgung getrennt voneinander durch konkurrierende Unternehmen angeboten würden. Doch sind diese Optionen bislang von Seiten der Wirtschaft nicht ernsthaft verfolgt worden, da vermutlich der zu erwartende Ertrag zu gering wäre. Und in geschlossenen Versorgungsgebieten, also jenen, deren Größe sich an Gemeindegrenzen orientiert, ist eine Trennung von Ver- und Entsorgung gesetzlich ausgeschlossen worden. Wäre dies nicht der Fall, so würden sich die für eine Privatisierung des Wassermarktes ohnehin offen stehenden Türen noch weiter öffnen. Denn rechtlich betrachtet ist die Privatisierung in einigen Bundesländern ohne weiteres möglich. Die Wasserversorgung obliegt in Deutschland den Ländern und ist nicht einheitlich geregelt. In den entsprechenden Landeswassergesetzen einiger Bundesländer ist die Wasserversorgung als Pflichtaufgabe der Kommunen festgeschrieben; dies bedeutet, dass sie die öffentlichen Aufgaben der Wasserversorgung (und teilweise auch der Wasserentsorgung) als Staatsaufgabe wahrzunehmen haben. Andere Länderverfassungen verpflichten die Gemeinden und Städte lediglich allgemein zur Wasserversorgung, überlassen ihnen jedoch die Entscheidung, ob sie diese Aufgabe Privatunternehmen als "Erfüllungsgehilfen" anvertrauen. Ist die Wasserversorgung somit eine freiwillige - und keine pflichtige - Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen, liegt die Entscheidung, in welcher Rechtsform dies ausgeübt wird, bei diesen, denn sie genießen bei der Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben Organisationshoheit. Das Recht der Selbstverwaltung wird den Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes zugesichert. Die Bayerische Gemeindeverordnung etwa verpflichtet in der kommunalen Aufgabenbeschreibung in Art. 57 Abs. 2 die Gemeinden, die "erforderlichen Einrichtungen zur Versorgung mit Trinkwasser herzustellen und zu unterhalten". In Bayern gewährleisten dies 2.400 Wasserversorgungsunternehmen, deutschlandweit gibt es rund 6.400. Es dominieren bei den Unternehmen der Wasserwirtschaft öffentlich-rechtliche Rechtsformen, doch wird die Betriebsform (Regie-, Eigenbetrieb, Eigengesellschaft) nicht vorgeschrieben, und auch die Privatisierung ist nicht ausgeschlossen; die Endverantwortung bleibt stets bei den Kommunen, auch wenn sie die Aufgabe an Privatunternehmen übertragen. Seit den 1990er-Jahren ist eine allmähliche Verschiebung von Regie- und Eigenbetrieben hin zu Eigengesellschaften festzustellen. Während Regiebetriebe komplett in die Gemeindeverwaltung eingegliedert sind, sind Eigenbetriebe zwar immer noch öffentlich-rechtliche Institutionen, organisatorisch und finanzwirtschaftlich jedoch aus der jeweiligen Gemeindeverwaltung ausgegliedert. Eigengesellschaften sind rechtlich selbständige, privatwirtschaftliche Unternehmen, an denen die Gemeinde nur noch Anteile hält. Ihr Anteil hat sich im Zeitraum von 1990 bis 2001 verdoppelt und macht jede dritte Organisationsform aus. Die überwiegende Mehrheit von 85 Prozent der Versorgungsunternehmen in Deutschland ist weitgehend im Besitz kommunaler Träger, nur zwischen einem und zwei Prozent sind in privater Hand. Auffällig für den deutschen Wassermarkt ist seine äußerst kleinteilige Organisierung; so gibt es nur einige große, jedoch sehr viele kleine Versorger. Im Jahr 1998 förderten rund 15 Prozent der Wasserversorgungsunternehmen über 80 Prozent der Wassermenge, etwa 4.500 Unternehmen versorgten zwischen 50 und 3.000 Einwohner. Dass beim Versorgungsbetrieb durch Großkonzerne Synergie- und Größeneffekte sowie Kostensenkungspotentiale freigesetzt werden, die - wie das spezielle Know-how und eine Dienstleistungsorientierung - letztlich auch den Verbrauchern zugute kommen können, scheint sich in zahlreichen deutschen Kommunen zu bestätigen. So ist allein der Weltmarktführer Veolia in 450 deutschen Gemeinden für die Wasserver- und -entsorgung zuständig. Doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Investoren nur Interesse an aussichtsreichen Unternehmungen haben und die Versorgung weniger lukrativ erscheinender Gemeinden in der öffentlichen Hand verbleiben. Und so haben sich die Hoffnungen, die man in die Privatisierung der Wasserversorgung gesetzt hatte, in weiten Teilen nicht erfüllt. Insbesondere hinsichtlich der erwarteten Kosteneinsparungen trat Ernüchterung ein, wobei jedoch gerade bei der Wasserversorgung aufgrund des hohen Fixkostenanteils von bis zu 85 Prozent möglichen Kostenreduktionen ohnehin enge Grenzen gesetzt sind. Der Anstoß für die Privatisierungswelle kam in den 1990er-Jahren im Zuge der technischen Entwicklungen auf den Informations- und Kommunikationssektoren. Dieses sich global ausbreitende neoliberale Klima färbte sogar auf die rot-grüne Regierungskoalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ab, dessen Politik des "Dritten Weges" neben umfassenden Wirtschafts- und Sozialreformen vom "Leitbild des aktivierenden Staates" getragen war, mehr Eigenverantwortung und mehr Unternehmergeist und eine neue Verantwortungsteilung zwischen Staat und Privaten vorsah. Das Schlagwort der "Staatsmodernisierung" war schließlich gleichzusetzen mit einem Rückzug des Staates aus den Bereichen, von denen man annahm, dass sie private Unternehmen genauso gut oder besser bewirtschaften konnten. Finanzmärkte wurden dereguliert sowie Bundesunternehmen im Banken-, Verkehrs- und Dienstleitungsbereich privatisiert. Ziel dieser Politik war nicht nur die Tilgung von Schulden des Bundes- beziehungsweise Landeshaushaltes; gleichzeitiges Bestreben war es, durch die Einführung von Wettbewerb die Qualität zu erhöhen.