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Kultur der Kontrolle

Verbrechensbekämpfung und soziale Ordnung in der Gegenwart, Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 12
ISBN/EAN: 9783593385853
Umbreit-Nr.: 1316235

Sprache: Deutsch
Umfang: 394 S., 4 s/w Fotos
Format in cm: 2.5 x 21.5 x 14.3
Einband: kartoniertes Buch

Erschienen am 09.06.2008
Auflage: 1/2008
€ 39,95
(inklusive MwSt.)
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  • Kurztext
    • Rufe nach langen Haftstrafen und nach der Rücknahme von Hafterleichterungen finden immer mehr Resonanz in westlichen Gesellschaften. Hinzu kommen Forderungen nach verstärkter Kontrolle, etwa nach einer öffentlichen Kartei von Sexualstraftätern oder dem staatlichen Einblick in private Festplatten. Wie kam es dazu und wohin führt ein solch rigoroser Umgang mit Kriminalität und Straftätern?
  • Autorenportrait
    • David Garland ist bekannt als Gesellschaftsanalytiker und Strafrechtskritiker. Er ist Professor für Soziologie und Recht an der New York University.
  • Schlagzeile
    • Ausgrenzung statt Resozialisierung
  • Leseprobe
    • Es gehört zu den kaum zu überschätzenden Wirkungen des Werkes von Michel Foucault, dass es auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften einige Autoren dazu hat ermutigen können, sich jenseits des kleinteiligen Betriebes erneut der Aufgabe einer umfassenden, disziplinübergreifenden Diagnose der Gegenwart zuzuwenden. Diese Soziologinnen und Soziologen folgen dem methodischen Vorgehen Foucaults nicht bis in alle Einzelheiten, ja sie sind weit entfernt davon, seine eigenwillige Herangehensweise und den häufig provokanten Stil einfach nur bewundernd zu imitieren; aber was sie sich im Laufe der Jahre zu eigen gemacht, was sie von seiner Theorie übernommen haben, ist die leicht verfremdende Perspektive, die künstlich geschaffene Halbdistanz, aus der heraus er darangegangen ist, weit voneinander entfernt liegende Praktiken, Wissenskomplexe und Institutionen miteinander in Beziehung zu setzen und als Elemente einer in sich spannungsreichen Epoche der gesellschaftlichen Entwicklung zu analysieren. Natürlich bedarf es, um ein solches Verfahren produktiv im Sinne einer Ethnologie der kulturellen und sozialen Eigenarten eines ganzen Zeitraums anwenden zu können, einer Reihe von weiteren theoretischen Fähigkeiten, über die Foucault souverän verfügte: Zur Sensibilität für bislang verborgene Zusammenhänge müssen mindestens ein Gespür für relevante Dokumente und Zeugnisse, die Energie zum Durchstöbern von unübersichtlichen Archivbeständen und die Gabe zur Stilisierung großflächiger Praxis- und Wissensformationen hinzukommen. Finden aber alle diese Begabungen einmal zusammen, so ist es sehr wohl möglich, die von Foucault praktizierte Methode als eine Anweisung zu benutzen, um aus dem Blickwinkel des Fremden die sozialen, kulturellen und epistemischen Voraussetzungen einer ganzen Epoche zu erfassen. Dem Autor der vorliegenden Studie, dem amerikanischen Soziologen David Garland, ist das Kunststück gelungen, das damit umrissene Verfahren in einer empirisch kontrollierten Weise für sein eigenes Forschungsfeld fruchtbar zu machen. Schon seit langem interessiert sich Garland, der von Haus aus Kriminologe ist, für die beinahe unmerklichen Wandlungen, die sich seit dem Beginn der Moderne auf dem Gebiet der Verbrechenskontrolle und Strafjustiz vollzogen haben; wie einige Klassiker seines Faches, allen voran Émile Durkheim, ist er der Überzeugung, dass sich an den historischen Veränderungen in den Formen der Strafpraktiken wie in einem Brennspiegel die gesellschaftlichen Transformationsprozesse im Ganzen studieren lassen. Den Forschungen, die Garland in diesem Rahmen durchgeführt hat, verdanken wir ein brillantes Buch über die Herausbildung des Strafsystems, das im Zentrum des wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus stand und auf der Idee der Resozialisierung des Straftäters gründete (Garland 1985a). Die grundlegenden theoretischen Konzepte und den begrifflichen Rahmen hat Garland dann in einer umfangreichen Auseinandersetzung mit klassischen Autoren der Soziologie der Kriminalität fortentwickelt (Garland 1990). In diesem weite Aufmerksamkeit erregenden Buch findet sich auch eine luzide Rekonstruktion der Untersuchung von Georg Rusche und Otto Kirchheimer über Sozialstruktur und Strafvollzug, mit der das Institut für Sozialforschung in den 1930er Jahren auf dem Feld der Soziologie des Strafens hervorgetreten war. Für die Studie, die wir hier veröffentlichen, hat Garland nun aber seine Herangehensweise grundlegend geändert; das Buch ist aus dem Impuls heraus geschrieben, uns dem Schock auszusetzen, dass wir inzwischen nahezu unbemerkt in einer Welt der Verbrechensbekämpfung und Strafjustiz leben, die mit den emanzipatorischen Idealen der jüngsten Vergangenheit nicht mehr das Geringste gemeinsam hat. Nicht die Freilegung einer untergründigen Kontinuität, sondern die Vergegenwärtigung eines tiefgreifenden, unsere Kultur im Ganzen betreffenden Bruchs ist das Ziel, das Garland sich gesetzt hat. An dieser Stelle, dort, wo es um die Herauspräparierung des vollkomme