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Die Unversehrtheit des Körpers

Geschichte und Theorie eines elementaren Menschenrechts
ISBN/EAN: 9783593383415
Umbreit-Nr.: 1322574

Sprache: Deutsch
Umfang: 280 S., 7 s/w Fotos
Format in cm: 1.8 x 21.3 x 14
Einband: Paperback

Erschienen am 05.11.2007
Auflage: 1/2007
€ 29,90
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit galt lange Zeit als eherne Basis moderner Rechtsstaatlichkeit. Die Folterszenen aus Abu Ghraib oder die Debatte um die Vereinbarkeit der islamischen Sharia mit international geltendem Menschenrecht zeigen jedoch, dass dieses Ideal schnell ins Wanken geraten kann - im Inneren westlicher Demokratien ebenso wie im interkulturellen Vergleich. Wie sich das Recht auf körperliche Unversehrtheit weiterhin legitimieren und aufrechterhalten lässt, wird in diesem Band aus philosophischer, juristischer und kultur- und sozialwissenschaftlicher Sicht diskutiert. Mit Beiträgen unter anderem von Abdullahi A. An- Na¿im, Winfried Brugger, Hauke Brunkhorst und Sabine Sielke.
  • Kurztext
    • Das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit galt lange Zeit als eherne Basis moderner Rechtsstaatlichkeit. Die Folterszenen aus Abu Ghraib oder die Debatte um die Vereinbarkeit der islamischen Sharia mit international geltendem Menschenrecht zeigen jedoch, dass dieses Ideal schnell ins Wanken geraten kann - im Inneren westlicher Demokratien ebenso wie im interkulturellen Vergleich. Wie sich das Recht auf körperliche Unversehrtheit weiterhin legitimieren und aufrechterhalten lässt, wird in diesem Band aus philosophischer, juristischer und kultur- und sozialwissenschaftlicher Sicht diskutiert. Mit Beiträgen unter anderem von Abdullahi A. An- Na'im, Winfried Brugger, Hauke Brunkhorst und Sabine Sielke.
  • Autorenportrait
    • Sibylle van der Walt, zuletzt Juniorprofessorin am Max- Weber-Kolleg in Erfurt, ist Research Fellow an der Adam Smith Foundation der Universität Glasgow. Christoph Menke ist Professor für Philosophie an der Universität Potsdam und Kodirektor des dortigen MenschenRechts- Zentrums.
  • Schlagzeile
    • Körper und Recht
  • Leseprobe
    • Anliegen dieses Bandes ist es, Geschichten und Theorien über das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit zur Darstellung zu bringen. Seit einigen Jahren mehren sich Stimmen von Vertretern der Exekutive, von Politikern und Rechtsgelehrten, die in Richtung einer Enttabuisierung der Folter plädieren; die selbst für das politikferne Medienpublikum kaum übersehbaren Bilder der Folterszenen und Menschenrechtsverletzungen in Abu Ghraib und Guantánamo Bay haben unser Wissen über das Spektrum des Möglichen in erschütterndem Maße erweitert. Diese Entwicklungen legen den Gedanken nahe, dass wir es mit einem neuen Kapitel nicht nur in der Geschichte der internationalen Politik und des internationalen Rechts, sondern auch in der Geschichte (welt-)bürgerlicher Freiheiten zu tun haben. Etwas länger als ein halbes Jahrhundert - seit dem Gründungsakt der Vereinten Nationen und der gleichzeitig verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 - schien es Konsens, dass ein institutionalisiertes Völkerrecht und in Absichtserklärungen sowie in bindenden Verträgen niedergelegte Verhaltensnormen in der Lage sein würden, moderne Gesellschaften gegen das in den Ausbrüchen der nationalsozialistischen Herrschaft unübersehbar gewordene Gewaltpotenzial zu immunisieren. Die zugrunde liegende Hoffnung, dass es möglich sei, moderne Staaten durch rechtsstaatliche Verfahren und das Völkerrecht zu pazifizieren, geht freilich auf eine Zeit zurück, die lange vor der politischen Verarbeitung der humanitären Katastrophen des Zweiten Weltkrieges liegt. Sie ist eng mit dem Weltbild des Liberalismus in der Tradition von Adam Smith und Immanuel Kant verknüpft, demzufolge moderne, durch Kapitalismus und parlamentarische Regierungsformen gekennzeichnete Staaten die Tendenz haben, ihre Macht unter weitgehendem Verzicht auf physische Gewalteinwirkung zu entfalten. Während Adam Smith und die ihm nachfolgende politische Ökonomie an die pazifizierende Kraft des freien Handels glaubten, der Kriege und Gewaltauswüchse im Interesse der eigenen Gewinnmaximierung überflüssig mache, verknüpfte Kant die Friedensfähigkeit von Staaten mit ihrer politischen Verfassung und schrieb republikanischen Verfassungselementen eine friedensbringende Wirkung zu. Im liberalen Denken galten Kriege zwischen Staaten und unkontrollierte gewalttätige Konfliktlösungen in ihrem Inneren daher als Ausdruck vormoderner Rückständigkeit, eines 'Rückfalls in die Barbarei', dessen Ursachen keinesfalls in der Natur moderner Staatlichkeit selbst zu suchen seien. Die Modernisierungstheorie der fünfziger Jahre verstärkte den liberalen 'Traum von der gewaltfreien Moderne' (Joas 2000: 49ff.), indem sie das Prinzip gewaltfreier Konfliktlösung zum konstitutiven Merkmal moderner Gesellschaften erklärte. Das Paradigma zunehmender physischer Gewaltfreiheit in der Herrschaftsausübung findet sich noch in einigen Ansätzen der Kultursoziologie, die seit den siebziger Jahren an Bedeutung gewannen. Norbert Elias' 1939 erstmals veröffentlichte, aber erst nach der Neuauflage im Jahre 1969 breit rezipierte Theorie über den Prozeß der Zivilisation etwa setzt die liberale Geschichtsdeutung ungebrochen fort. Ähnliches kann über Michel Foucaults seit dem Erscheinen von Überwachen und Strafen im Jahre 1975 überaus einflussreiche Theorie der Disziplinierung gesagt werden (Foucault 1991). Zwar ist es das Hauptanliegen dieses Buches, das liberale Geschichtsbild humanerer, auf körperliche Grausamkeit verzichtender Strafmethoden und damit die liberale Fortschrittsidee zu hinterfragen; indem Foucault aber den Wandel der Strafmethoden als einen Übergang von der gewaltexzessiven Macht des Souveräns zu der körperlosen diffusen Machttechnik des modernen Gefängnisses beschreibt, reproduziert er unversehens das Bild einer auf physische Gewalt verzichtenden Moderne. Auch in den Diskursen des Rechts finden sich Spuren dieser Geschichtsdeutung. So schreibt etwa der Verfassungsrechtler Horst Dreier noch im Jahre 1996 in seinem