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Der Schatten des Galiläers
Jesus und seine Zeit in erzählender Form, Biografien für junge Menschen 1
ISBN/EAN: 9783579064048
Umbreit-Nr.: 1274261
Sprache:
Deutsch
Umfang: 272 S.
Format in cm: 2.3 x 19 x 12
Einband:
kartoniertes Buch
Erschienen am 12.01.2004
- Zusatztext
- Lebendig erzählte Geschichtsforschung Gerd Theißen erzählt von Jesus und seiner Zeit. Die Rahmenhandlung ist fiktiv: Ein junger Jude, Andreas, wird von Pilatus dazu erpresst, Material über neue religiöse Bewegungen in Palästina zu sammeln. Dabei stößt er auf Jesus und reist ihm hinterher. Aus Erzählungen über Jesus rekonstruiert er dessen Leben.Theißen ist ein fesselndes Buch gelungen, das dem Stand der Forschung entspricht, aber auch für die Gegenwart verständlich ist. Verkündigung und Geschick Jesu werden aus der Perspektive eines jüdischen Zeitgenossen dargestellt und im Rahmen der religiösen und sozialen Welt des Judentums verständlich gemacht.
- Kurztext
- Spannend wie ein Krimi. Rhein-Neckar-Zeitung
- Autorenportrait
- Dr. Gerd Theißen, geboren 1943, ist Professor em. für Neutestamentliche Theologie in Heidelberg. Er gilt als einer der kreativsten Exegeten der Gegenwart und entwickelte eine Theorie des Urchristentums, indem er die biblische Überlieferung mit Hilfe soziologischer und religionspsychologischer Fragestellungen untersuchte. Sein Buch 'Der Schatten des Galiläers' ist seit mehr als 30 Jahren ein unübertroffenes Werk erzählender Jesusliteratur.
- Leseprobe
- Die Zelle war dunkel. Eben noch hatten sich Menschen in Panik um mich gedrängt. Jetzt war ich allein. Mein Schädel brummte. Meine Glieder schmerzten. Die Soldaten hatten harmlos ausgesehen, hatten mitdemonstriert und mitgeschrien. Niemand konnte ahnen, daß sie Spitzel waren, bis sie ihre versteckten Knüppel herausholten und auf uns einschlugen. Die meisten von uns flohen. Einige wurden auf der Flucht totgetrampelt, andere wurden von knüppelnden Soldaten erschlagen. Ich hatte keinen Grund gehabt zu fliehen. War ich doch nur zufällig mit Timon und Malchos vorbeigekommen. Nicht die Demonstration hatte mich interessiert. Mich interessierte Barabbas, den ich unter den Demonstranten entdeckt hatte. Ich wollte gerade zu ihm, als die Panik ausbrach und alles im Durcheinander der Schreie, Prügel, Pfiffe und Tritte unterging. Als ich wieder zu mir kam, war ich inhaftiert. Timon auch. Ob Malchos entkommen war? Jetzt hockte ich in dieser Finsternis. Ich spürte die Schmerzen in meinem Körper. Es waren nicht nur die Schläge und Fesseln, die weh taten. Was die Glieder verkrampfte, war mehr: Es war die Erniedrigung durch brutale Gewalt. Es war die Angst vor weiterer Erniedrigung, der ich ohnmächtig ausgesetzt sein würde. Eine Wache ging draußen auf und ab. Ich hörte Stimmen. Jemand schloß auf. Ich wurde in Fesseln zum Verhör geschleppt - irgendwo im Jerusalemer Amtssitz des römischen Präfekten. Ein Offizier saß mir gegenüber. Ein Schreiber führte Protokoll. "Sprichst du Griechisch?" lautete die erste Frage. "Alle Gebildeten sprechen bei uns Griechisch", antwortete ich. Der Mann, der mich verhörte, hatte ein fein gegliedertes Gesicht. Seine wachen Augen musterten mich eindringlich. Unter anderen Umständen wäre er mir vielleicht sympathisch gewesen. "Wie heißt du?" "Andreas, Sohn des Johannes." "Woher stammst du?" "Aus Sepphoris in Galiläa." "Beruf?" "Obst und Getreidehändler." Der Offizier machte eine Pause und wartete, bis der Schreiber alles mit kratzender Feder notiert hatte. "Was suchst du in Jerusalem?" setzte er sein Verhör fort. "Ich habe am Pfingstfest teilgenommen." Er hob den Blick und sah mir direkt in die Augen: "Warum hast du gegen Pilatus demonstriert?" "Ich habe nicht demonstriert. Ich bin zufällig in die Demonstration hineingeraten." Hätte ich sagen sollen, daß ich einen alten Bekannten in der demonstrierenden Menge erkannt hatte? Auf keinen Fall! Barabbas war ein Römerhasser. Womöglich stand er auf den Fahndungslisten. Ich durfte mit ihm nicht in Verbindung gebracht werden. "Du behauptest, du hättest nicht mitgeschrien: Kein Geld für Pilatus!" "Ich weiß nicht einmal, worum es geht", log ich. Der Beamte lächelte abfällig. Wußte doch jeder, der sich damals in Jerusalem aufhielt, daß es sich um das Geld handelte, das Pilatus aus dem Tempelschatz nehmen wollte, um eine neue Wasserleitung für Jerusalem bauen zu lassen. Einige Zeit später gab er (= Pilatus) den Anlaß zu erneuter Unruhe, da er den Tempelschatz, der Korban genannt wird, für eine Wasserleitung verbrauchte;. Die Menge war darüber sehr erbost, und als Pilatus nach Jerusalem kam, drängte sie sich schreiend und schimpfend um seinen Richterstuhl. Pilatus hatte diese Unruhe der Juden im voraus vermutet und eine Anzahl von Soldaten, zwar bewaffnet, aber als Zivilisten verkleidet, unter die Menge gemischt und ihnen den Befehl gegeben, vom Schwert keinen Gebrauch zu machen, die Schreier aber mit Knüppeln zu bearbeiten. Nun gab er vom Richterstuhl her das verabredete Zeichen; als es aber plötzlich Schläge hagelte, gingen viele Juden unter den Streichen zugrunde, viele andere aber wurden auf der Flucht von ihren eigenen Landsleuten niedergetreten. Erschreckt über das Schicksal der Getöteten verstummte das Volk." "Du solltest wissen, daß man sich aus einer demonstrierenden Menge entfernt." "Niemand war bewaffnet. Alles verlief friedlich, bis die Soldaten eingriffen", entgegnete ich hastig. "Aber die Demonstration richtete sich gegen uns Römer. So was ma