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König der Hobos

Unterwegs mit den Vagabunden Amerikas
ISBN/EAN: 9783492405027
Umbreit-Nr.: 7150068

Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S.
Format in cm: 1.7 x 18 x 12.2
Einband: Englische Broschur

Erschienen am 01.10.2019
€ 16,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Sie pfeifen auf den amerikanischen Traum und führen ein Leben außerhalb der Gesellschaft. Getrieben vom Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung, fahren die Hobos illegal auf Güterzügen durch das Land, ständig auf der Flucht: vor der Polizei, paranoiden Bürgern - und sich selbst. Dreieinhalb Monate reiste Fredy Gareis mit diesen Überlebenskünstlern durch ein Amerika, das die wenigsten kennen. Er erlebte Zusammenhalt und Großzügigkeit, Einsamkeit, Gewalt und Drogen. Geschichten, die tiefe Einblicke in die raue Seele der USA gewähren: über die Kraft des Individuums, über Enttäuschung, Wut und über das Glück, arm, aber frei zu sein.
  • Autorenportrait
    • Fredy Gareis wurde 1975 in Kasachstan geboren und wuchs in der Opelstadt Rüsselsheim auf. Um seine Reisen zu finanzieren, verdingte er sich nach dem Abitur als Taxifahrer, Putzkraft und Medikamententester. Danach war er als Journalist unter anderem für Die Zeit, Tagesspiegel und Deutschlandradio tätig. Seit 2013 ist er freier Autor. Bei Malik erschienen von ihm 'Tel Aviv - Berlin', '100 Gramm Wodka', 'König der Hobos' und der Spiegel-Bestseller 'Vier Räder, Küche, Bad'. Er wurde mehrfach mit dem ITB BuchAward ausgezeichnet. Derzeit lebt Fredy Gareis in Griechenland und Deutschland. www.fredygareis.com
  • Schlagzeile
    • Ein Buch über die absolute, gnadenlose Freiheit
  • Leseprobe
    • 1Es war kurz nach Mitternacht, als die Polizei die Landstraße entlanggerauscht kam. Die beiden Rentner Tuck und Ricardo fluchten leise und schmissen sich in ein Maisfeld. Schwarze Moskitowolken flogen auf. Der Mais stand schulterhoch, die Erde, auf der wir nun lagen, war feucht. Tuck schob ein paar Maisstangen mit den Händen auseinander. Er blickte hindurch und sagte: 'Fuck the police.'Der Streifenwagen fuhr an uns vorbei, verschwand Richtung Waseca, einer kleinen Stadt mit 10 000 Einwohnern im Bundesstaat Minnesota. Die beiden Hobos standen auf und klopften sich schimpfend die Erde von den Hosen. Scheiß auf die Polizei, scheiß auf die Regierung und scheiß auf das System.Die Landstraße war wieder leer, die Nacht sternenklar. Ruhe. Die Gleise neben der Straße schimmerten silbern im Mondlicht.Dann zerriss ein dröhnender Pfiff die Stille.Erst einmal, dann zweimal. Der Güterzug schob sich rumpelnd aus dem Bahngelände in der Stadt. Das Signal strich scharf über das Maisfeld und brach sich erst am Getreidesilo, bevor es von der Lok eingeholt wurde. Vor unseren Füßen vibrierte der Schotter. Die Gleise sangen. Es war ein Lied von Aufbruch und Bewegung, gehört und verstanden von allen Hobos der letzten 150 Jahre. Die Leuchte der Lok schnitt einen runden Tunnel durch die Dunkelheit.Nichts, aber auch gar nichts, kann dich auf diesen Moment vorbereiten, wenn die lärmende Höllenmaschine auf einmal an dir vorbeidonnert und die Räder Funken auf den Gleisen schlagen. Jetzt herrschte laut der Zug.Die schulterlangen weißen Haare von Tuck und Ricardo flatterten im Windkanal von 10 000 Tonnen Stahl. Ein Wagen nach dem anderen verschwand in Richtung der 60 Meilen nordöstlich gelegenen Kreisstadt New Ulm. Die Waggons rasselten wie an einer gigantischen Kette.Ricardo spuckte auf den Boden. 'Gottverdammte Scheiße. Da fährt sie hin.'Von der Lampe am Getreidesilo beleuchtet, sagte Tuck: 'Komm schon, du Hurensohn, nimm uns verdammt noch mal mit.'Die beiden Hobos standen mitten in der Nacht, angespannt wie zwei Comanche-Indianer, die im Begriff waren, auf wilde Mustangs zu springen.Schließlich ein rostiges Kreischen. Es wurde lauter und lauter. Und noch lauter. Fast schon widerwillig kam der Zug zum Stehen. 'Gott sei Dank', sagte Ricardo. Kurzer Schlag auf Tucks Schulter und dann sofort zugabwärts, also weg von der Lok. Ein Hobo will immer so weit wie möglich von der Lok entfernt sein.Ricardo ging über den Schotter voraus. Rechts von uns stand ein Zug nach Osten, links unser Zug nach Westen. Jeder Waggon etwa 20 Meter lang und fünf Meter hoch. Eine Schlucht aus Stahl, und es war finster in ihr. Die groben Steine knirschten unter unseren dicken Sohlen. In der Kuhle zwischen beiden Gleissträngen hatte sich Brackwasser gesammelt. Es stank.Hinter mir sagte Tuck: 'Nichts Fahrbares! Alles Selbstmord. Fucking motherfucker!'Ricardo war da bereits 100 Meter weiter gelaufen. Zwischen Zug und Highway befand sich noch eine sandige Zufahrtsstraße, die zum Bahngelände führte. Auf ihr näherte sich plötzlich das Licht von Scheinwerfern. 'Runter!', rief Ricardo und duckte sich dicht an die Räder.Die Scheinwerfer gehörten zum Wagen, der das Personal aus der Lok holte und zurück zum Bahnhofsbüro fuhr. Hoboarithmetik besagte, dass wir nun ein paar Minuten hatten, bevor er wieder zurückkommen würde.'Fucking motherfucker', fluchte Tuck erneut.'Vielleicht auf der anderen Seite, vielleicht haben wir was übersehen', meinte Ricardo und kletterte die Leiter eines Getreidewaggons hoch. Manchmal fühlten sich seine Füße an, als würden sie gleich abfallen, hatte er mir zuvor gesagt, aber jetzt setzte er sie elegant wie eine Ballerina auf den Steg, der wie eine überdimensionierte Käsereibe aussah, und stieg auf der anderen Seite wieder runter. Ich machte es genauso, griff aber mit meinen Handschuhen jede Leitersprosse und jede Strebe so fest, dass ich sie fast zum Schmelzen brachte. Adrenalin jagte mir die Wirbelsäule rauf und runter. Mein erster Güterzug.Tuck keuchte. 'Mein Rücken br