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Willy Brandt

1913-1992 - Visionär und Realist
ISBN/EAN: 9783421042323
Umbreit-Nr.: 953054

Sprache: Deutsch
Umfang: 928 S., 94 s/w Illustr.
Format in cm: 5.4 x 22 x 14.7
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 14.08.2006
€ 36,00
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  • Zusatztext
    • Glänzend geschrieben und sorgfältig recherchiert: Die dramatische Geschichte eines Ausnahmepolitikers Willy Brandt polarisierte die Deutschen wie kaum ein anderer Politiker - geliebt und verehrt, zum Idol erhoben von den einen; gehasst, verleumdet und gejagt von den anderen. Es gibt keinen Kanzler, dessen Regierungszeit so voller Dramen war - vom missglückten Kanzlersturz über den folgenden Wahltriumph bis hin zum Spion, der sich als sein Gehilfe tarnte. Willy Brandt war ein Held mit Schwächen - und gerade darin wurzelte ein großer Teil seiner Popularität. Seine Verdienste als Staatsmann sind heute unbestritten, sein Charisma als sozialdemokratischer Hoffnungsträger bleibt unerreicht. In seiner großen und mit dem Deutschen Bücherpreis prämierten Biographie zeichnet Peter Merseburger die Wandlungen und Entwicklungen dieser sozialdemokratischen Jahrhundertgestalt nach: die prägende Jugend in Lübeck, die Jahre der Emigration, die politische Reifezeit als Regierender Bürgermeister von Berlin, seine Zeit als Bundeskanzler und sein späteres Wirken in der Sozialistischen Internationale.
  • Autorenportrait
    • Peter Merseburger (1928-2022) war Journalist bei verschiedenen Tageszeitungen, 1960 bis 1965 Redakteur und Korrespondent beim SPIEGEL, moderierte ab 1967 'Panorama', wurde 1969 TV-Chefredakteur des NDR und leitete danach die ARD-Studios in Washington, London und Ost-Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter der Longseller 'Mythos Weimar. Zwischen Geist und Macht'. Seine Biographie Willy Brandts wurde 2003 mit dem Deutschen Bücherpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien seine Autobiographie 'Aufbruch ins Ungewisse. Erinnerungen eines politischen Zeitgenossen' (2021).
  • Leseprobe
    • Vorwort Gegen Ende seines Lebens stand seine persönliche und politische Autorität beinahe über den Parteien, auch die einstigen Gegner zollten seiner politischen Leistung Bewunderung und Respekt. Die Nation ehrte den großen Verstorbenen mit einem Staatsakt, wie es ihn im Reichstag zu Berlin zuvor nur für Walter Rathenau und Gustav Stresemann gegeben hatte. Und doch sollte kein noch so großer Abschied mit Trommelwirbel und militärischem Zeremoniell vergessen machen, wie sehr dieser Willy Brandt als deutscher Kanzler und Parteiführer umstritten war. Adenauer haben die Deutschen respektiert, Willy Brandt aber polarisierte wie kein anderer Politiker, ausgenommen vielleicht Franz Josef Strauß. Er wurde gehaßt, aber auch geliebt - schon um seiner Schwächen willen, die ihn den Menschen näherrückten. Mit keinem Namen der Nachkriegszeit ist soviel Hoffnung auf moralische Erneuerung der Politik, auf mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit verbunden wie mit dem Willy Brandts. Er war Idol und Hoffnungsträger der deutschen Linken bis tief in das aufgeklärte Bürgertum hinein, und er hat die Generation der Achtundsechziger mit ihrem Land versöhnt. Doch wie kein anderer wurde er von der deutschen Rechten gnadenlos gejagt und verleumdet - als Linkssozialist, der sich für die Sache der spanischen Republik engagierte, als Emigrant und 'Vaterlandsverräter', der norwegische Uniform getragen hat, als Verfasser zahlreicher Bücher, die sich kritisch mit dem nationalsozialistischen Deutschland auseinandersetzten. Doch die Ironie der Geschichte wollte es, daß Willy Brandt gerade wegen der Anfeindungen gegen seine frühe Biographie, einem dialektischen Prozeß ähnlich, an Bedeutung gewann: Je heftiger und verbissener die deutsche Rechte das unehelich geborene Proletarierkind Herbert Frahm als ehemals linken Revolutionär anfeindete, desto klarer wurden seine politischen Konturen, desto deutlicher wuchs er zur politischen Gegenfigur der Adenauerschen Obrigkeitsdemokratie heran. Seine historische Leistung für die Deutschen ist unbestritten und nur derjenigen Konrad Adenauers vor ihm und der Helmut Kohls nach ihm vergleichbar: Versöhnte Adenauer den freien Teil Deutschlands mit dem Westen, schlug Brandt Brücken nach Osten. Verankerte der eine die Bundesrepublik fest im Europa der Integration und der Atlantischen Allianz, streckte der andere die Hand zur Versöhnung nach Osten aus. Erst Brandts Vertragspolitik gegenüber Polen und der Sowjetunion machte die Bundesrepublik zum Partner, der nach allen Seiten voll handlungsfähig war, erst mit seinem Eintritt in die Vereinten Nationen spielte Bonn in der internationalen Liga mit und gewann an Gewicht. Der politische Realist Brandt anerkannte die Lage, wie sie ist, um politischen Spielraum und Freiheit des Manövrierens zu gewinnen. Seine Politik der Entspannung baute Feindbilder ab und trug dazu bei, den Prozeß der deutschen Einigung zu ermöglichen, den Helmut Kohl dann zusammen mit Hans-Dietrich Genscher steuerte. All das sichert Willy Brandt einen Platz in den Büchern der deutschen Nachkriegsgeschichte. Doch mit seinem Namen verbindet sich mehr: Er brauchte Macht wie jeder Politiker, der gestalten will, aber Macht war ihm nicht alles, er klammerte sich nicht an sie und setzte, wie sein Rücktritt zeigt, mit dieser Haltung moralische Maßstäbe. Es gelang ihm, die Kluft zwischen Geist und Macht zu verringern, indem er Intellektuelle, Dichter und Künstler an sich band. Er hatte, wie Günter Grass einmal treffend bemerkt, die seltene Gabe, Zukunft näher heranzurücken, schemenhafte Hoffnungen und Gefährdungen zu konturieren. Das machte den Realisten zum Visionär, der den tristen Alltag mit klaren Zielsetzungen aufhellen konnte. Damit kam er, der soviel Distanz hielt zu den Einzelnen, den Vielen nahe - was einen großen Teil der Massenwirksamkeit des Ausnahmepolitikers Willy Brandt erklären mag. Doch lauerten darin auch Gefahren: Indem er die Sehnsüchte und Wünsche der Vielen auf sich vereinen konnte, schuf er ei