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Die Fremde im Garten

ISBN/EAN: 9783312009541
Umbreit-Nr.: 1421132

Sprache: Deutsch
Umfang: 144 S.
Format in cm: 1.7 x 21.8 x 14.5
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 31.01.2005
€ 12,90
(inklusive MwSt.)
Nachfragen
  • Kurztext
    • Was soll man davon halten, wenn die eigenen Eltern einen Menschen sonderbar finden, nur weil er lange in der Nervenklinik war? Am besten, man vertraut dem eigenen Urteil - zu diesem Schluss kommt jedenfalls Hillevi, als sie Viola kennen lernt. In ihrem humorvollen und unaufgeregten Ton erzählt Marjaleena Lembcke von der Begegnung mit der Fremdheit eines ungewöhnlichen Schicksals.
  • Autorenportrait
    • Marjaleena Lembcke wurde 1945 in Kokkola/Finnland geboren und studierte Theaterwissenschaften und Bildhauerei. Seit 1967 lebt sie in der Nähe von Münster in Westfalen. Sie schreibt für Kinder und Jugendliche ebenso wie für Erwachsene. Für ihre Bücher wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 1999, und wurde nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Ihr Werk wurde bisher in zehn Sprachen übersetzt. 2015 erhielt sie den österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis. 2016 erschien für Erwachsene ihr persönlichstes Buch, der Roman Wir bleiben nicht lang (2016).
  • Schlagzeile
    • In einem verträumten Garten verbirgt sich eine faszinerende Geschichte
  • Leseprobe
    • Eines Tages brachte der Postbote mir ein kleines, braunes Päckchen. Mein Name war in großen Druckbuchstaben geschrieben, der Name des Absenders fehlte. Ich drehte das flache Päckchen in den Händen und versuchte zu erraten, was drinsteckte. Ich machte es auf. Es war Violas Portemonnaie. Ich war zwölf, als ich den Zweig des Fliederbuschs abbrach und Viola sah. Der Ast des weißen Fliederbuschs hing über den Zaun, ich brach einen Zweig ab und sog den Duft der Blüten tief ein. Als ich den Blick auf das Haus richtete, sah ich am Fenster ein Gesicht. Ich ließ den Zweig fallen. Zwei Jahre zuvor hatte ich das Haus entdeckt und herausgefunden, dass es unbewohnt war. Ich mochte das verlassene große Holzhaus, den Garten aber liebte ich und besuchte ihn oft. Er war zwar eingezäunt und die Pforte abgeschlossen, aber ich hatte am Zaun zwei breite Holzbretter ausfindig gemacht, die lose waren und sich so weit beiseite drücken ließen, dass ich hindurchschlüpfen konnte. Im Sommer nahm ich ein Buch und eine Flasche Limonade mit und saß stundenlang in dem Garten. Das Buch lag oft nur neben meinem Stuhl im Gras, während ich die Blumen ansah und träumte. Es war ein großer Garten. In der Mitte lag eine moosbedeckte runde Betonplatte, auf der früher wahrscheinlich ein Pavillon gestanden hatte. Übrig geblieben waren nur ein Tisch und zwei blaue Metallstühle, deren Rückenlehnen die Form von großen Birkenblättern hatten. Der blaue Tisch stand auf schmiedeeisernen Birkenblattfüßen. Ich hatte nirgendwo solche Stühle und so einen Tisch gesehen. Die Gartenmöbel, die ich sonst kannte, waren aus Holz. Ich stellte mir einen alten Finnen vor, der den Tisch und die Stühle geschmiedet und so seine Liebe zu dem Sommerbaumblatt verewigt hatte. Eine Birke, die vor den finnischen Häusern als Hausbaum und Beschützer steht, wuchs in diesem Garten nicht. Es gab zwölf Apfelbäume. Sie standen im weiten Kreis um den Pavillonplatz. Die Blumenbeete waren strahlenförmig in einem Halbkreis um das Rondell angelegt. Im hinteren Teil des Grundstücks befanden sich Johannisbeer- und Stachelbeersträucher. Der Garten war verwildert; zwischen Brennnesseln, riesigem Bärenklau, Klee und Käsekohl blühten im Frühling Schneeglöckchen, Narzissen und Tulpen, im Sommer Rittersporn, Mohnblumen, Glockenblumen, Levkojen und Fingerhüte und im Herbst der Sonnenhut. Die Pfade zwischen den Blumenbeeten waren zugewachsen. Der Weg, der direkt zum Haus führte, war mit Steinplatten gepflastert. Auf den Platten hatte sich Moos angesiedelt und zwischen den Steinen wuchs Gras und Schöllkraut. Am Zaun kletterten die Wicken hoch. Unter den Apfelbäumen dufteten im Mai die Maiglöckchen, und um die Stachelbeersträucher blühte ein blauer Teppich von Veilchen. Im Frühjahr pflückte ich einen kleinen Strauß für meine Mutter, die Veilchen gerne mochte. Und im Sommer brachte ich meiner Tante Ringelblumen oder Rittersporn. Tante Saara fragte mich nicht, wo ich sie herhatte. Wahrscheinlich glaubte sie, ich hätte die Blumen auf dem Markt gekauft. Meine Mutter stellte auch keine Fragen, sie hatte wenig Zeit, sich über etwas zu wundern. Ich erzählte niemandem von meinen Besuchen dort, auch meiner Mutter nicht, weil ich wusste, dass sie mir verbieten würde, in fremde Gärten zu gehen. Auch wenn sie verlassen waren. So tat ich nichts ausdrücklich Verbotenes, hatte aber immer ein etwas schlechtes Gewissen, als sei ich ein Einbrecher. Ich stahl zwar nichts, außer ein paar Blumen, aber es waren nicht meine Blumen und nicht mein Garten.