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Felsenmeer

Gedichte 1985 bis 2008
ISBN/EAN: 9783866383623
Umbreit-Nr.: 1068677

Sprache: Deutsch
Umfang: 112 S.
Format in cm:
Einband: Paperback

Erschienen am 06.10.2023
€ 20,00
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  • Zusatztext
    • Posthum erscheinen hier 74 Gedichte, die Horst Bingel noch selbst zusammengestellt hatte. Gruppiert in neun Kapitel, zeigen diese Gedichte jene Stimmlage, für die Horst Bingel als Dichter beliebt war: von der Freude am Alltäglichen (»Zuckerdose«, »Unter Fischen«) und mitunter fast bubenhaften Unmittelbarkeit bis hin zu seiner entschlossenen politischen Sicht (»Sie winkten nicht«, »In die Wand geschrieben«). Die Gedichte scheinen zunächst ganz in ihrer Entstehungszeit, den 1980er bis 2000er Jahren verwurzelt; sie vermitteln allerdings eine Unruhe, die auf bohrende Weise bis zu uns her reicht - weil bei Horst Bingel Worte als Versuche und Zeilen nie auf irgendein Ende gedacht, Bilder nie eingerastet sind
  • Autorenportrait
    • Horst Bingel, geboren 1933 in Korbach, gestorben 2008 in Frankfurt am Main; Lyriker, Erzähler, Essayist, Herausgeber; mit dem »Frankfurter Forum für Literatur e.V.« (1965-68) Initiator von Lesungen an ungewöhnlichen Orten wie Fabriken, U-Bahn-Baustellen, Schalterhallen von Banken; ließ Gedichte auf Litfaßsäulen kleben und eine Literatur-Tram durch Frankfurt fahren. Seit 1966 im PEN. 1974-76 Bundesvorsitzender des VS. 1983-85 Stadtschreiber Offenbach, 1984 Wilhelm-Leuschner- Medaille. Lyrik Kleiner Napoleon, 1956; Prosa Herr Sylvester wohnt unter dem Dach, 1982; Essay Der Blitz kam aus dem Zeitungsroman, 2003. Herausgeber (Zeitgedichte - Deutsche politische Lyrik seit 1945, 1961; Deutsche Prosa - Erzählungen seit 1945, 1963). Posthume Veröffentlichungen: Fundorte 33: Horst Bingel, Den Schnee besteuern - Gedichte (Hg. Werner Bucher und Virgilio Masciadri), orte-Verlag, 2009. Horst Bingel, Stafettenlauf - Gedichte aus dem Nachlass (Hg. Hendrik Liersch), Corvinus-Presse, 2011.
  • Leseprobe
    • tragen die Scherben im Wind (Wasserkarawane, Seite 13) An der Fassade eines Mietshauses in der Frankfurter Wiesenau er­innert eine kleine Tafel an Marie Luise Kaschnitz. Um deren Nach­barn, Horst Bingel, drohte es nach seinem Tod 2008 ruhig zu werden, bis Barbara Bingel zur Wahrung seines literarischen Erbes eine Stif­tung gründete. Darauf begann ein archäologisches Langzeitprojekt: Schicht um Schicht von immensen Papierbergen wurden in Bingels Wohnung abgetragen. Zum Vorschein kamen Manuskripte seines ge­druckten Werks in den Gattungen Lyrik, kleine Prosa und Essay, vor allem aber unzählige Notizen, die vom Stadium der Skizze bis zu Vor­studien zu teil- oder ungeschriebenen Texten reichen. Ein großes Kon­volut unveröffentlichter Gedichte. Die Korrespondenz mit dem zeitgenössischen Kollegium. Dazu die Dokumente der von Host Bingel angezettelten Kampagnen: Etwa vom 1965 gegründeten Frankfurter Forum für Literatur, mit dem er den Literaturbetrieb neu erfand, den Lesungen in der Werkshalle von Messer Griesheim oder in den Räumen der Bank für Gemeinwirtschaft, den Auseinandersetzungen um den und im Verband deutscher Schriftsteller, dem Bingel zeitweise vorstand. Erhalten sind Redaktionsunterlagen der von Bingel bei V.O. Stomps herausgegebenen Streit-Zeit-Schrift oder Dokumente aus dem Heinrich Heine Verlag. Einen ersten Querschnitt durch den Bestand konnte das Literatur­archiv der Goethe-Universität im Universitätsarchiv Frankfurt ge­mein­sam mit der Stiftung zu Bingels 80. Geburtstag in der Aus­­stellung Staubdecken / Wortwolken im Fenster zur Stadt (Restaurant Marga­rete) präsentieren. Doch der Coup von Barbara Bingel, sie trägt dich / sie trägt dich im Kopf (Taube, Seite 21), lag in der Übertragung des Er­bes ihres Ehemanns ins literarische Tagesgeschäft. Seit 2010 verwandelt sich jährlich während der Hochstädter Lyriknacht zum Andenken an Bingel eine historische Wehrkirche in eine Bühne der poetischen Avantgarde. Seit 2014 ist der Namensgeber des Horst Bingel-Preises für Literatur unter den in seinen Gattungen schreibenden Gekürten präsent: u.a. Nadja Küchemeister, Gila Lustiger, Almut Ulrike Sandig, aktuell Ali Abdollahi, Yevgenia Belorusets und Ronya Othmann. Zu Horst Bingels 90. Geburtstag am 6. Oktober 2023 wird es die zu erwartende Feierstunde geben. Er wird nun auch seine kleine Ge­denktafel am Nachbarhaus von Kaschnitz in der Wiesenau be­kom­men, deine Tafel, gelöscht, wir, auferstanden (Moderne Zei­ten, Seite 100). Vor allem zeigt er sich in den nun vorliegenden 74 Ge­dich­ten aus dem Nachlaß, deren Gruppierung noch auf Bingel selbst zurückgeht. Der Zeitspanne ihrer Entstehung, von 1985 bis ins Todesjahr 2008, entsprechen die widersprüchlichen Topoi und Klang­farben; sie reichen von der Intervention zum politischen Zeit­ge­schehen bis zur Konzentration auf das Individuum. In ihrer neun­stufigen Anordnung ergeben die 74 Stücke ein Kaleidoskop, das die Lebens- und Arbeitsgeschichte von Horst Bingel parallel erzählt. Was ist das? Die Boten, / aus der Toten Welt (Aufs Rad geflochten, Seite 77)? Wohl kaum. Mit Blick auf die diesjährige Lyriknacht, die kommende Preisverleihung und weitere Archivperlen aus dem Nach­laß ist die Welt höchst lebendig. Herzlichen Glückwunsch. Wolfgang Schopf Literaturarchiv der Goethe-Universität im Universitätsarchiv Frankfurt