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Kultische Geheimbünde der Germanen

eBook - Forschungen zum Heidentum
ISBN/EAN: 9783959489287
Umbreit-Nr.: 5405021

Sprache: Deutsch
Umfang: 0 S., 4.30 MB
Format in cm:
Einband: Keine Angabe

Erschienen am 06.07.2018
Auflage: 1/2018


E-Book
Format: PDF
DRM: Adobe DRM
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  • Zusatztext
    • Zur Neuherausgabe dieses Buches:Das vorliegende Buch OTTO HÖFLERS (19011987) ist der zweite Band unserer Reihe von Neuauflagen klassischer Werke der Religions- und Mythenforschung. Viele Werke dieses Arbeitsfeldes, wie auch Kultische Geheimbünde der Germanen, sind nur mit großen Mühen zu beziehen eine Lücke, die wir mit unserer Arbeit wieder schließen wollen.Der Text wurde neu gesetzt und die alten Seitenumbrüche durch einen senkrechten Strich und eine Randnote angegeben. Dadurch sollten alle Stellen des ursprünglichen Satzes nachvollziehbar sein. Querverweise im Text beziehen sich immer auf die Seitenzahlen des Originals. Grammatikalische und lexikalische Besonderheiten wurden beibehalten. Rechtschreibfehler des Originals wurden beibehalten und in einigen Fällen als solche markiert. Ein Sonderfall ist die Fußnote 147a im Abschnitt Die Mythisierung des Kultes als religionsgeschichtliche Grund-Kategorie diese ist auch im Original nach der Fußnote 148 und nicht nach der Fußnote 147 gesetzt, was wir beibehalten haben. Statt Sperrsatz wurden der Lesbarkeit halber Kapitälchen gewählt, auch bei Autorennamen.Einige Zitate wurden, im Gegensatz zum Original, aus dem weiteren Text hervorgehoben. Solche Hervorhebungen sind kenntlich gemacht durch ein Z am Seitenrand.
  • Leseprobe
    • Die Sagen vom Wilden Heer als Spiegelungenekstatischer GeheimkulteKaum irgendeine Volksüberlieferung der germanischen Welt hat dieBlicke so gewaltsam auf sich gezogen wie die Sagen vom WütendenHeer, der Wilden Jagd jener geisterhaften Schar, die nach dem Glaubendes Volks bisweilen rasend die Nacht durchstürmt, ein tosender Zug vonwilden Wesen, oft Bewaffneten im Gefolg eines dämonischen Führers.Nicht nur durch die sehr reiche Fülle seiner Traditionen nimmt dieserSagenkreis einen hervorragenden Platz ein. In seinem Mittelpunkt ist einKernstück altgermanischen Heidentums bis in unsere neue Zeit lebendiggeblieben. Es ist der berühmteste, aber auch der rätselvollste aller Germanengötter,dessen Name in dieser wilden nächtlichen Erscheinung durchall die Jahrhunderte seit der Heidenzeit fortgelebt hat der alte Wodan.Noch heute sprechen schwedische Bauern von Odens Jagd, und bei unsbeschwört im späten Mittelalter der sogenannte Münchener NachtsegenWutanes her und alle sîne man1.Auf welche Weise in den Sagen vom Totenheer wirklich echtes altgermanischesGut bis in unsere Tage fortbestehe, das ist eine der umstrittenstenFragen der Germanistik. Aber in EINER Meinung sind Forscherund Laien fast ohne Ausnahme einig gewesen: Diese Sagen seien NATURMYTHOLOGIEseien im wesentlichen eine Vermenschlichung desnächtlichen brausenden Sturms.Gerade diese Annahme soll hier bestritten werden.Der Weg unserer Erklärung weicht von dem gewohnten weit ab undführt in ein Gebiet von scheinbar völlig anderer Art: in das der religiösenEkstase, des dämonischen Totenkults, zugleich aber wohl denmeisten noch unerwarteter hinab zu den Grundfesten des germanischenGemeinschaftslebens.Es sind geheimnisvolle Kulte aus denen, wie wir zeigen wollen, dieMythen von Wodans Totenheer zum großen Teil geflossen sind. | Kriege- 1|2rische Kultverbände waren ihre Träger, und so dicht war das Geheimnis, das sie umgab, daß jener ganze Kreis von Überlieferungen bis heute inseinem wahren Wesen verkannt wird. Die Gemeinschaftsgebilde, die wirim Hintergrunde unserer Totenmythologie sichtbar machen wollen, wareneinstmals Mittelpunkte des religiösen Lebens und zugleich Grundpfeilerdes sozialen Aufbaus.Die DÄMONISCHEN BÜNDE der Germanen sind es, denen unsereUntersuchung gewidmet ist.In der kultischen Ekstase haben diese Verbände gegipfelt, und siewurzeln in dunklen Tiefen des Irrationalen. Ihr Wachstum aber drängtein die Breite.Keineswegs beschränkt sich ihr Wirken auf den Lebenskreis, der bloßden Religionshistoriker kümmert. Wie diese kultisch-bündischen Gemeinschaftensich im geschichtlichen Leben entfaltet haben, das werdenwir jedoch erst zeigen können, wenn wir ihren religiösen Gehalt und ihremythologischen Brauchtumsformen im einzelnen bestimmt haben.Diese Kultformen nun erweisen sich als uraltertümlich und müssenohne Abbruch bis in die Vorzeit zurück reichen. Sie können nur vongefestigten Verbänden getragen worden sein, und darum müssen dieseBünde historisch mit Gliederungen der Urzeit zusammenhängen. Solange das Bundesritual seinen ursprünglichen Sinn nicht verloren hat,dürfen wir jene sozialen Gruppen kultisch nennen, mag auch ihrepolitische und wirtschaftliche Tätigkeit im übrigen so sehr angewachsensein, daß sie das Gesamtbild völlig zu beherrschen scheint.Es wird zu zeigen sein, daß noch erstaunlich lange auch soziale Gebildevon scheinbar rein praktischer Art durch heimliche mythologischeKraftquellen gespeist werden. Haben wir unser Auge erst für die ungeheureGemeinschaftskraft dieser geheimnisvollen Zuströme geschärft,so wird uns auch das Ritual etwa der Gilden und Zünfte, der Hansa undeiner langen Reihe von anderen Verbänden in einem neuen Licht erscheinen,ihr inneres Gefüge und das Spiel ihrer lebendigen staatlichenKräfte werden wir von einem Blickpunkt aus überschauen können, deruns ein ganz anderes Bild erschließt als der historische Materialismusaller Spielarten.Dieser glaubte die Kulte und Feiern aller jener Gruppen bei der historischenUntersuchung einfach vernachlässigen zu dürfen (er hielt sie wohlim Grunde für so etwas wie Zeitvertreib!) und meinte den eigentlichenund primären Inhalt auch solcher Verbände in ihrer ökonomischen oder organisatorischen Betätigung zu erkennen. Doch eine religionsgeschichtlicheErfassung der Gemeinschaftskulte wird ihre eigentümlicheWucht und ihren bindenden Ernst sichtbar machen. Und | damit öffnet 2|3sich, wie ich glaube, auch der sozialgeschichtlichen Betrachtung derBlick in ein Gebiet, das sie nicht vernachlässigen kann, ohne machtvollstehistorische Kräfte mißzuverstehen.Deshalb gehe hier der soziologisch-historischen Untersuchung eineeingehende religionggeschichtliche Prüfung der dämonischen Gemeinschaftskultevoran.Das erste Ziel unserer Untersuchung sei nun, die These zu erhärten:DIE SAGEN VOM WILDEN HEER SIND NICHT AUSSCHLIESSLICH NATURMYTHOLOGIE,SONDERN ZU EINEM SEHR WESENTLICHEN TEILSPIEGELUNGEN VON ALTERTÜMLICHEN KULTEN GEHEIMNISVOLLERBÜNDE.Fast gleichzeitig ist vor einigen Jahren von L. WEISER und K. MEULI2der Gedanke ausgesprochen worden, daß bei der Entwicklung dieserVolkssagen rituelle Faktoren mitwirkten3. Während MEULI einige Bräucheaus dem Umkreis der Bettelumzüge, der kultischen Heischegänge,heranzieht, hat L. WEISER zuerst die Totenheer-Sagen mit der festenund alten sozialen Einrichtung der Jünglingsbünde in Zusammenhanggebracht.Soviel ich sehen kann, sind diese Anregungen in der einschlägigenLiteratur bisher noch kaum beachtet worden.Hier soll nun zunächst versucht werden, durch eine eingehende Prüfungder Mythen vom Totenheer eine breite und feste Grundlage zuschaffen, auf der eine Darstellung der geheimen germanischen Kultbündeaufgebaut werden kann.Wir werden damit eine Reihe mittelbarer historischer Zeugnisse zumgermanischen Totenkult gewinnen, die sich enge anschließen an jene berühmteStelle der Germania (cap. 43), in der TACITUS das gespenstigenächtliche Treiben der HARIER-Krieger schildert: Ihrer angeborenen Wildheit helfen sie künstlich und durch Ausnützung der besten Zeit nach:schwarz sind ihre Schilde, bemalt ihre Körper, dunkle Nächte suchen sie3|4 zum Kampf aus und jagen schon durch das grauen|volle Dunkel ihresTotenheeres Schrecken ein. Hält ja doch kein Feind dem ungewohntenund gleichsam höllischen Anblick stand. Denn bei allen Kämpfen werdenzuerst die Augen besiegt4.Wohl hat schon J. GRIMM5 diese spukhaften Harii mit dem WildenHeer verglichen. Aber eine solche körperlich-mimische Darstellung desTotenheeres durch lebende Männer schien ganz vereinzelt dazustehen6.Erst L. WEISER hat die Nachricht in den weit ausgreifenden Zusammenhanggestellt, in dem sie ganz verständlich wird. Sie hat bewiesen, daßeine solche mimische Verkörperung nicht eine Ausnahme ist, sondernvielmehr ein weit verbreiteter kultischer Akt. Wir können den nächtlichenSpuk der Harii in Verbindung bringen mit Volksbräuchen undOrganisationsformen, die bis in unsere Zeit hinein lebendig gebliebensind.Der Gang dieser Untersuchung soll zunächst folgender sein:Bei einer ganzen Reihe von Motiven kann erwiesen werden, daß sieden Totenmythen und dem Volksbrauch oder, genauer gesprochen: demBrauchtum von Männerbünden gemeinsam sind. Dieser Gleichlauf istjedoch dem Volksbewußtsein meist nicht mehr vertraut, wie er denn auchvon der wissenschaftlichen mythologischen Forschung nicht beachtet zuwerden pflegte und noch nie in seinen Einzelheiten gesichtet worden ist.