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Wissensproduktion im Staat

Das königlich preußische statistische Bureau 1860-1914
ISBN/EAN: 9783593399591
Umbreit-Nr.: 4949877

Sprache: Deutsch
Umfang: 467 S.
Format in cm: 2.8 x 21.2 x 14
Einband: Paperback

Erschienen am 02.10.2013
Auflage: 1/2013
€ 58,00
(inklusive MwSt.)
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  • Kurztext
    • Die Verwaltung moderner Staaten ist ohne die Arbeit ihrer statistischen Ämter nicht vorstellbar. Am Beispiel des 1805 in Berlin gegründeten preußischen statistischen Bureaus behandelt dieses Buch die Entfaltung der Prinzipien, nach denen diese Behörde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer umfassendere Datenmengen erhob. Fundamentale methodische Innovationen begründeten wichtige Modernisierungsschübe in der Tätigkeit dieser Behörde. Verbunden damit war die - letztlich enttäuschte - Hoffnung, so auch Bewegungsgesetze der Gesellschaft schlechthin freilegen zu können. Dabei geriet das Bureau immer wieder in das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und staatlich gebundener Verwaltungstätigkeit.
  • Autorenportrait
    • Michael C. Schneider, PD Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Frankfurt am Main.
  • Leseprobe
    • 1 Einleitung 1.1 Thema und Fragestellung Moderne Staaten sind wie moderne Gesellschaften ohne die Arbeit der amtlichen Statistik nicht mehr vorstellbar. Diese Feststellung gilt für alle Ebenen staatlichen Handelns, sei es für die Wirtschaftspolitik, die für ihre Prognosen und Planungen seit der Zwischenkriegszeit auf ein zunehmend ausdifferenziertes und kontinuierlich bereitgestelltes Datenmaterial ange-wiesen ist, sei es, wenn der Zuschnitt der Wahlkreise anhand der Bevölkerungsverteilung zu entwerfen ist, sei es, wenn die medizinische Versorgung der Bevölkerung mit statistischen Maßzahlen zu bemessen ist. Für das 20. Jahrhundert leuchtet diese Feststellung unmittelbar ein, und so sind statistische Ämter auf kommunaler Ebene, der Ebene der Bundesländer, der Nationalstaaten und der europäischen Ebene kaum angezweifelter, selbstverständlicher Teil einer staatlichen Wissensproduktion. Dieser gegenwärtige Zustand ist Ergebnis eines längeren historischen Prozesses, der in Europa um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert einsetzte. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts breitete sich nachgerade ein "statistischer Enthusiasmus" (Harald Westergaard) in Europa aus, der weite Teile der staatlichen Verwaltungen, aber auch des Bürgertums an die aufklärende Wirkung detaillierten statistischen Wissens glauben ließ und bis zur Jahrhundertmitte in vielen Staaten zur Einrichtung statistischer Ämter, aber auch privater statistischer Vereine und Gesellschaften führte. Vor neue Herausforderungen sahen sich die statistischen Ämter in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gestellt: Sie beobachteten jetzt eine Gesellschaft, die sich in tiefgreifenden Umbruchsprozessen befand. In diesen Jahrzehnten setzte sich in Preußen und Deutschland der Industriekapitalismus endgültig durch. In Verbindung mit einem anhaltend starken Bevölkerungswachstum und einer rapiden Urbanisierung - Phänomene, die die amtliche Statistik in ihrer quantitativen Dimension erst sichtbar machte - verlangte eine Fülle von neuen Problemen nach Antworten: Deren Bandbreite reichte vom Aufbau einer kommunalen Daseinsvorsorge bis zur Etablierung eines reichsweiten Sozialversicherungs-systems. Das politische System wiederum bedurfte, um diese Probleme zu bearbeiten, eines fundierten statistischen Wissens und war daher in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in besonderer Weise auf funktionsfähige statistische Ämter angewiesen. Auf diesen Zeitraum konzentriert sich die vorliegende Studie, die damit eine zentrale Phase dieser formativen Periode bei der Etablierung statistischer Ämter untersucht. Sie fragt nach den Bedingungen und den Möglichkeiten, aber auch nach dem Eigenleben dieser Behörden, die für die Generierung staatlichen statistischen Wissens in erster Linie zuständig waren. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei das königlich preußische statistische Bureau in den Jahrzehnten von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1914. Die exemplarische Untersuchung dieser Behörde dient dabei gleichsam als Sonde, um die Funktionsweise der amtlichen Statistik generell zu verdeutlichen. Hierzu eignet sich das preußische Bureau in besonderem Maße, denn es beobachtete den größten deutschen Flächenstaat und gilt aufgrund der vielfältigen Impulse, die sein langjähriger Direktor Ernst Engel nach 1860 gab, als eines der einflussreichsten im deutschen Sprachraum. Hinzu kommt, dass die Quellenlage für dieses Bureau so günstig wie für kaum ein anderes eines deutschen Einzelstaates ist und an Dichte und Aussagekraft für diese Epoche auch die Überlieferungsqualität der Reichsstatistik deutlich übertrifft.