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Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

eBook - Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige
ISBN/EAN: 9783894806842
Umbreit-Nr.: 1715667

Sprache: Deutsch
Umfang: 480 S., 0.58 MB
Format in cm:
Einband: Keine Angabe

Erschienen am 08.08.2001
Auflage: 1/2001


E-Book
Format: EPUB
DRM: Digitales Wasserzeichen
€ 9,99
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang, Rentencrash, Staatserschuldung, Verkehrsinfarkt, Gesundheitskostenexplosion und Weltuntergangsängste. Er kommt zu dem Schluss: Völker, die im neuen Jahrhundert »Gleichheit« über »Freiheit« stellen, haben schon verloren. Und es sind immer die Verlierer, die Gewalt verbreiten. Nicht zufällig konnten nur in Deutschland die beiden autoritären Irrlehren des Faschismus und des Kommunismus zur staatlichen Reife gedeihen. Offensichtlich hat das deutsche Volk ein gespaltenes Verhältnis zur Freiheit.<br />Die Herausforderungen des neuen Jahrhunderts aber sind nur durch mehr Freiheit und weniger Bevormundung zu bewältigen. Das gilt für die gesellschaftlichen wie für die wirtschaftlichen Problemlösungen. Mit kompromissloser Deutlichkeit und ohne falsche Rücksichtnahme deckt Günter Ederer auf, wie sehr uns die praktizierte wohlfahrtsstaatliche Umverteilung in die finanzielle und politische Ausweglosigkeit treiben.<br />Jenseits der partei- und machtpolitisch motivierten Tagesdebatten bietet sein Buch Lösungen an, wie Deutschland aus der Schuldenfalle herauskommen und wieder konkurrenzfähig werden kann. Dafür muss das Rad nicht neu erfunden werden, wir müssen nur bereit sein, erprobte Lösungen anderer Staaten zu übernehmen, und endlich aufhören, Deutschland als den Nabel der Welt zu betrachten.<br />»Für mich heißt Journalismus sich einmischen«, definiert Ederer seine Berufsauffassung. »Ich bekenne mich kompromisslos zu einer freiheitlichen Welt- und Wirtschaftsordnung, nicht weil ich diese aus Büchern zusammengelesen habe, sondern weil ich in den 60 Staaten, in denen ich tätig war, erlebt habe, dass nur Freiheit Frieden und Fortschritt sichert. Dafür lohnt es sich zu arbeiten.«
  • Autorenportrait
    • Günter Ederer, Jahrgang 1941, produzierte über 40 Jahre lang Filme für ARD und ZDF und berichtete aus 62 Ländern mit dem Schwerpunkt Wirtschaft. Sechs Jahre lang war er ZDF-Korrespondent in Tokio. Mit 23 Preisen, darunter der Deutsche Fernsehpreis, der Ludwig-Erhard- Preis für Publizistik und der Deutsch-Französische Journalistenpreis, ist er der meist ausgezeichnete Wirtschaftsjournalist Deutschlands. Seine Bücher waren alle Bestseller. Günter Ederer ist Fellow im Institut Zukunft für die Arbeit und lebt mit seiner Frau bei Bingen/Rhein.
  • Leseprobe
    • 1. Ein Südseetraum<br /><br />Kennen Sie Capsalay? Wahrscheinlich nicht. Dieses traumhafte Eiland im Südchinesischen Meer ist selbst auf detaillierten Touristenkarten nicht verzeichnet. Zusammen mit meiner Frau verbrachte ich dort vier Wochen, und wir erzählen gern von diesem Urlaub im Paradies. In Manila lernten wir den Besitzer kennen: einen erfolgreichen deutschen Geschäftsmann, der mit einer Filipina verheiratet ist. Von ihm mieteten wir uns für 50 Dollar pro Tag in eine Ferienhausanlage ein, die lediglich aus drei Bungalows besteht, die mit Materialien aus dem Urwald gebaut wurden. Schon die Reise nach Capsalay war ein Abenteuer. <br />Die erste Etappe legten wir mit der Privatmaschine des japanischen Ferienclubs El Nino von Manila aus zum Nordzipfel der lang gestreckten Insel Palawan zurück. Dort wartete eine viersitzige Cessna, die uns in das Zentrum von Palawan nach Roxas brachte. Erst verjagte der Pilot im Tiefflug Kühe von der Piste, dann ließ er nach der Landung die Motoren weiterlaufen, während wir ausstiegen und unser Gepäck entluden. Andernfalls wären die Räder der Maschine in den morastigen Boden eingesunken. <br />Von der Piste in Roxas ging es in einem Jeepney weiter, einem jener bunten, offenen Vehikel, die das Haupttransportmittel der Philippinen darstellen. Nach 40 Kilometer Fahrt über das gebirgige Rückgrat von Palawan hielten wir in der weitgeschwungenen Bucht von Barton. Noch einmal mussten wir umsteigen, in eine Banka, eines der in der Südsee üblichen Auslegerboote. Nach einer weiteren Stunde hatten wir endlich Capsalay erreicht. Kein Plakat, keine noch so kitschige Beschreibung kann wiedergeben, wie herrlich uns dieses Südseeparadies vorkam. Weißrosa der Korallensand, der in ein ruhiges lauwarmes Meer übergeht, das in allen Farben von Türkisgrün bis Azurblau reflektiert. Die Kokospalmen neigen sich schräg über den Sand zum Meer, spenden zusammen mit Kasuarinen Schatten.<br />Wir waren die einzigen Feriengäste, umsorgt von Rosita, einer resoluten, aber herzlichen Enddreißigerin, die das Dutzend Personal befehligte, das für unser Wohlergehen zuständig war. Die Wünsche wurden uns von den Lippen abgelesen: Zum Frühstück stand der Tisch direkt am Meer, abends in der Nähe des Haupthauses. Gekocht wurde, was wir uns wünschten oder was das Meer gerade hergab. Nach Sonnenuntergang brannten noch eine Weile die Petroleumlampen, bevor uns der Sternenhimmel des Südens und die Geräusche einer unendlich weiten Natur umgaben. <br />So erzählen wir sie gern, die Geschichte von unserem Urlaub, den wir allein im Paradies verbrachten. Die Geschichte ist sogar wahr - jedenfalls glauben wir auch schon selbst daran, so oft haben wir sie wiederholt und andere damit neidisch gemacht. Und wenn wir sie vor unseren Zuhörern ausbreiten, dann besteht eine stillschweigende Übereinkunft zwischen meiner Frau und mir, uns diese Erinnerung so zu erhalten, wie wir sie gern hätten, und ohne dass wir je darüber gesprochen hätten, wissen wir, dass wir nicht die ganze Wahrheit erzählen. Aber unsere Wunschvorstellung nach diesem Stück Paradies ist so groß, dass wir die Realität ausblenden, und unsere Erinnerung an Capsalay ist immer noch so positiv, dass wir regelrecht Sehnsucht haben nach Capsalay, nach jener verlogenen Welt.<br />Die Realität: Nachdem wir ausgeschlafen hatten, machten wir entlang der etwa zwei Kilometer langen Bucht einen ersten Spaziergang. Wir waren noch nicht weit gekommen, als ein halb umgestürzter Stacheldrahtzaun unseren Weg behinderte. Davor stand sogar ein Wachmann mit einer Flinte. Er gehörte zum Personal unserer Ferienanlage. Auf unsere Frage, was hier los sei, antwortete er, wir könnten ruhig weitergehen, er müsse nur aufpassen, dass niemand das Grundstück betrete. Die Menschen hinter dem Stacheldrahtzaun seien Landdiebe und würden bald verjagt. Ungefähr 200 Meter weiter lichtete sich die Bepflanzung, und eine zweite Ferienanlage mit fünf einfachen, reisstrohgedeckten Hütten und einem offenen, geschmackvoll eingerichteten Restaurant kam zum V sie ins Grundbuch als Eigentümer der Westseite von Capsalay eingetragen.<br />Das Problem: Derselbe Großgrundbesitzer hatte die Westküste auch schon dem deutschen Geschäftsmann verkauft. Die Grundbucheintragungen wiederum waren so schlampig erfolgt, dass die Eigentümerfrage offen blieb. Der Deutsche war jedoch im Vorteil: Er hatte eine Filipina zur Frau, und die darf Land in den Philippinen besitzen, während Ausländern wie den Italienerinnen höchstens Pachtrechte zugestanden werden. <br />Im Grunde genommen war für beide Platz. Die Feriensiedlungen lagen so weit auseinander, dass selbst musikalische Klänge beider Parteien von den Palmen dazwischen geschluckt wurden. Doch anstatt sich zu arrangieren, begann ein erbitterter Kleinkrieg, in dem der Deutsche der Angreifer, die Italienerinnen die Verteidiger waren. Da wurde schon mal eine Hütte abgebrannt, mit Stöcken aufeinander losgeschlagen, der Stacheldrahtzaun gebaut und Wachen aufgestellt. Unser Vermieter hatte sogar an jedem Baum ein Warnschild angebracht, auf dem er androhte, auf jeden zu schießen, der sich seiner Anlage unberechtigt nähert.<br />Natürlich wollten wir auch wissen, wie es auf der anderen Seite der Insel aussah. Also sind wir den ungefähr 50 Meter hohen Hügel hinaufgeklettert und stießen oben auf dem Kamm ebenfalls auf Stacheldraht und einen Zaun mit einer Tür. Während »unsere« Seite dicht bewachsen und grün war, blickten wir auf der anderen Seite auf ein Dorf und eine Bucht hinunter, in der es keinen Baum und keinen Strauch mehr gab. Schätzungsweise 200 Filipinos lebten da zusammen mit ihren Schweinen und Ziegen. Diese etwa zwei Kilometer lange und höchstens 300 Meter breite Insel war also dreigeteilt: in je eine deutsche und italienische grüne Westhälfte und in eine braune, mit Exkrementen besudelte Bucht im Osten.<br />Die Verwalterin unserer Anlage verteidigte die strenge Abgrenzung von den Einheimischen. Früher war Capsalay unbesiedelt. Vor etwa zehn Jahren siedelten sich dann die heutigen Bewohner aus den Zentralphilippinen an. Der Großgrundbesitzer beschäftigte sie als Holzfäller, bezahlte so gut wie nichts. Dafür durften sie auf der Insel wohnen, wo sie gleich mit der Produktion von Kindern anfingen. In nur zehn Jahren haben sich die Einwohner des Dorfes von 20 auf 200 vermehrt - eine alltägliche Geschichte auf den Philippinen. Je ärmer die Leute sind, desto mehr Kinder haben sie, und desto tiefer dringen sie mittlerweile auch in jeden noch so abgelegenen Landstrich vor.<br />Kaum hatten die Siedler auf Capsalay die ersten Hütten errichtet, so begannen sie damit, die Bäume zu fällen und daraus Holzkohle zu machen. Nach den Bäumen hackten sie die Sträucher und Mangroven ab. Danach versiegte das Grundwasser. Die Siedler kamen über den Hügel und holten auf der grünen Seite Wasser. Doch als sie auch noch anfingen, heimlich Büsche und Bäume zu fällen, ließ der deutsche Besitzer den Stacheldrahtzaun errichten, und der Hügelkamm wird nun wie eine Grenze streng bewacht. Die Dorfbewohner müssen jetzt ihr Frischwasser mit dem Boot von der Hauptinsel Palawan holen. Da die Zahl der Kinder immer weiter steigt, das Einkommen aber eher sinkt, weil der Urwald in der Region bald abgeholzt ist, fingen die Siedler an, mit Dynamit das Meer leer zu fischen. <br />Unser kleines Paradies, die Insel Capsalay - ein Spiegelbild fast aller Konflikte, die heute unsere Welt beherrschen: Da sind die finanziell gut versorgten Europäer, die trotzdem aufeinander losgehen, weil einer dem anderen die Butter auf dem Brot nicht gönnt; da sind der Bevölkerungsdruck und die Dummheit in der Dritten Welt, die die natürlichen Ressourcen unseres Globus überstrapazieren; und da sind die korrupten Verwaltungen und Großkapitalisten, die sich einen Dreck um Gesetze und die Zukunft der Menschheit kümmern, sondern Konflikte noch schüren, weil sie sich dann umso ungenierter bereichern können.<br />Wann immer wir von Capsalay und unserem Urlaub in der tropischen Südseeidylle erzählen, blenden wir die Wirklichkeit einfach aus. Es ist, als ob wir uns irg