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Seestücke · Seascapes

Seascapes - Katalog zur Ausstellung 'Neue Romantik - Seestücke von Johannes Gerve' Ettlingen 2010, Dt/engl, Lindemanns Bibliothek 93
ISBN/EAN: 9783881905770
Umbreit-Nr.: 1720539

Sprache: Deutsch
Umfang: 48 S., 34 Illustr.
Format in cm: 1 x 28.4 x 25
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 28.02.2010
€ 18,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Johannes Gervés Seestücke sind erfüllt von den dialektischen Begriffen der Ferne und Nähe, des Aufbruchs und Innehaltens - dem Versuch, den flüchtigen Augenblick festzuhalten, bevor er vorüber ist. Gervés besondere Affinität zum Wasser und seine Reisen zur See konfrontieren ihn immer wieder aufs Neue mit den ständig wechselnden atmosphärischen und farblichen Besonderheiten des Landschaftsraums Meer. Die auf den Reisen erlebten, unterschiedlich intensiven Eindrücke trägt er lange in sich, bevor sie im Atelier manifeste bildnerische Gestalt annehmen. Der künstlerische Vorgang ist im Gegensatz zu dem sich ständig in Bewegung befindlichen Reisenden ein Innehalten, ein Forschen und Ausloten dessen, was bleibt von all dem Gesehenen, Erlebten und Erspürten. Das Malen ist ein konzentrierter schöpferischer Vorgang, bei dem in vielen Bearbeitungen und Überarbeitungen die Farben Schicht für Schicht übereinander gelagert werden, zunächst grundierend, diffus, lasierend, dann immer dichter werdend, bis eine Bildordnung entsteht, die in Spannung versetzt wird durch die jeweilige Farbgebung und das Prinzip der Offenheit. Beim Arbeiten klärt sich die Komposition, die Perspektive auf den Landschaftsausschnitt, bis am Ende einzelne Formen Gestalt annehmen, wie zum Beispiel Schiffe oder Gebäude, die den vorher völlig offen angelegten Bildraum verdinglichen. Diese Arbeitsweise macht deutlich, dass es sich bei den dargestellten Seestücken um imaginäre Landschaften handelt, die zwar durch reale Reiseerfahrungen veranlasst, jedoch nicht als mimetische Landschaftsporträts wiedergegeben werden. Auch die Farbgebung folgt rein künstlerischen Erwägungen in Verbindung mit tradierten Erfahrungen von Sehen und Empfinden. Verfügt der Bildraum über keine Horizontlinie, nimmt der Betrachter eine eigentümlich schwebende Position ein, die die Ausschnitthaftigkeit der Landschaft aus einem größeren Ganzen deutlich macht und gleichermaßen aus der scheinbar großen Entfernung der Vogelperspektive Landschafts- und Zivilisationsdetails zu zeichenhaften Strukturen und Chiffren verkürzt. Seestücke, bei denen Johannes Gervé die Horizontlinie sehr tief ansetzt, kehren die Perspektive um. Der riesige Himmel über uns mit den imposanten Wolkenformationen lässt den Eindruck entstehen, dass wir nicht auf der Erdoberfläche leben, sondern unter dem Himmel in einem großen atmosphärischen Raum. Diese Seestücke haben sich weit von ihren historischen Vorläufern entfernt, die man als autonome, spezifische Gattung der niederländischen Landschaftsmalerei seit dem 17. Jahrhundert kennt. Ging es dort noch um die Inszenierung von Natur im Zusammenspiel mit dramatischen Ereignissen auf See, wie zum Beispiel Strandungen, Schiffsuntergänge, Fischfang, Stürme oder Seeschlachten, entwickelte sich daraus bald das maritime Stimmungsbild, mit dem besonderen Reiz des sich auf der Wasseroberfläche spiegelnden Mond- oder Sonnenlichts. Die Romantik entdeckte das Seestück als hintergründiges Sinnbild von Einsamkeit und Unendlichkeit: als Seelenlandschaft. Die persönliche Naturbeobachtung in Verbindung mit ihrer allegorisch überhöhten Auslegung sollte bestimmte Stimmungen im Betrachter auslösen. Caspar David Friedrichs wohl berühmtester Aphorismus "Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht"?1 ist programmatischer Ausdruck der theoretischen Konzeption dieser Kunstauffassung. Die Sehnsucht des Städters hinaus in die Natur war für viele weitere Künstler des 19. Jahrhunderts Antrieb auch in der Natur zu malen. Besonders schöne Seestücke mit kühnen, atmosphärischen Lichteffekten entstanden unter anderem im Werk von William Turner und Claude Monet. Landschaften, vor allem Meeresbilder, die in sich die Vorstellung von Freiheit und Offenheit bergen, sind tradierte Orte der Sehnsucht. Ihre Differenzqualität zum Alltag vermag als das Andere, als das Fremde, die Sehnsucht der Menschen zu wecken. In der Malerei wurde und wird die Landschaftsmalerei z