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Letzte Lockerung

Ein Handbrevier für Hochstapler und solche, die es werden wollen, Manesse Bibliothek der Weltliteratur
ISBN/EAN: 9783717521488
Umbreit-Nr.: 1811206

Sprache: Deutsch
Umfang: 293 S.
Format in cm: 1.5 x 15.5 x 9.6
Einband: Leinen

Erschienen am 17.09.2007
€ 17,90
(inklusive MwSt.)
Nicht lieferbar
  • Zusatztext
    • Der Knigge für Zyniker Dieser Knigge für Zyniker gehört in jeden Smoking. Geistreich, frech und im Tonfall mondäner Kennerschaft verrät Serners Handbrevier, worüber man als Weltbürger tunlichst im Bilde sein sollte: Instinkte und Manieren, Reisen und Hotels, Frauen und Männer, Gott und die Halbwelt. Das Sernersche Benimmbuch für Filous spielt lustvoll mit den herrschenden Klischees von Moral und Wohlanständigkeit. Unverschämt, nicht selten ätzend werden die Widersprüche zwischen gesellschaftlichem Schein und Sein auf die Spitze getrieben: 'Die Welt will betrogen sein, gewiss', heißt es etwa kurz und bündig: 'Sie wird sogar ernstlich böse, wenn du es nicht tust.' Der erste Teil des Buches, 1918 in Lugano entstanden, war als 'prinzipielles Handbrevier' angelegt - als subversive Sinn-Camouflage in bester Dada-Manier. Der zweite Teil, 1927 in Genf hinzugekommen, versteht sich dagegen als 'praktische' Denk- und Handlungsanleitung für den modernen Amoralisten. Herrenzynismen wechseln mit Sentenzen der Weltgewandtheit, Travestien des Zeitgeists mit lebensphilosophischen Betrachtungen. Dank seiner süffisanten Nonchalance, seines 'jesuitischen Snobismus' (Jörg Drews), übertraf das Werk vieles zeitgleich Entstandene an geistiger Sprengkraft. Während sich eine durch und durch bigotte Gesellschaft in den Saturnalien der Selbstidealisierung berauschte, schrieb ihr Walter Serners (1889-ca. 1942) die denkbar luzideste Ernüchterungsprosa auf den Leib. Bis heute gilt die 'Letzte Lockerung' als elementarer Leitfaden für alle, die sich von der Schamlosigkeit der großen Welt nicht länger zum Narren halten lassen wollen.
  • Kurztext
    • «Man liest ?Das Handbrevier für Hochstapler und solche, die es werden wollen? mit großem Vergnügen, da Schein und Sein hier beständig die Rollen tauschen. Hinter der Maske des Bonvivants lächelt bitter ein antibürgerlicher Moralist, der es versteht, Weisheiten über den Zustand einer irrsinnig beschleunigten Gesellschaft in Bonbonpapier zu verpacken. Aktuell ist es allemal.» NDR Kultur «Mancher schüttelt den Kopf, wenn man diesem Korpus von Maximen und Reflexionen den entlarvungspsychologischen Rang von Schriften Nietzsches und Freuds zuweist, aber so ist es nun einmal.» Süddeutsche Zeitung «Zu den erfreulichen Ereignissen zählt die Wiederauflage dieses Buches: Walter Serner, Letzte Lockerung. (?) Das Buch, in der Manesse Bibliothek der Weltliteratur erschienen, ist ein veritables Taschenbuch, es passt in jede Tasche und ist warenästhetisch sehr schön, klein, aber seiner selbst bewusst, in der Gestaltung dieser Manesse-Bücher, die so viel Klugheit aus aller Welt verbreiten.» Die Zeit
  • Autorenportrait
    • Walter Serner (1889-ca. 1942), als Walter Eduard Seligmann im böhmischen Karlsbad geboren, studierte Jura in Wien, ging 1912 nach Berlin und wurde zum personifizierten Unruhegeist des Dada-Zeitalters. In den Zwanzigerjahren tat er sich als Essayist, Literat und Aktionskünstler hervor. Von den Nazis verfolgt, lebte er noch einige Monate im Prager Ghetto, ehe sich seine Spur in einem deutschen Vernichtungslager verliert.
  • Leseprobe
    • Zur Vorbereitung Man nehme vor der Lektüre ein kurzes lauwarmes Bad, ruhe eine halbe Stunde, gehe hierauf im Abendanzug in ein renommiertes Restaurant und lasse folgendes Diner sich servieren: Portugiesische Austern (Pfälzer 1921) Hors d'oeuvres variés Forellen in Butter Spargel, sauce vin. Poulet (Chambertin) Blumenkohl au gratin Pommes frites Salat Omelette soufflée Camembert Pfirsiche, Weintrauben Nürnberger Pumpernickel (Lanson brut 1911) Café nature Chartreuse jaune1 Kaffee und Likör nehme man jedoch nur dann im Restaurant, falls man ungestört sitzt. Andernfalls suche man sich eine stille Ecke in einem Café oder einer Bar und bestelle außerdem gleichzeitig einen Grand Marnier, Ruban rouge, und Cerises jubilé, die man so lange unberührt stehenlasse, bis das Zeichen zum Konsum gegeben wird. Hierauf entzünde man sich sein Lieblingsrauchwerk und beginne mit der Lektüre. Nach jedem Fragment pausiere man drei Minuten, trinke ein wenig und rauche. Nach jedem der sechs Abschnitte lege man das Buch fünf Minuten aus der Hand und blicke auf den Plafond. Die Lektüre des ersten Teils dürfte nicht mehr als eine Stunde beanspruchen und einen Zustand außerordentlicher Unternehmungslust verursachen. Man folge dieser nur insoweit, als man das Lokal wechsle, und warte mit der Verwendung ihres wichtigeren Restes (Dame), bis das Zeichen dazu gegeben wird. Jeder, der durch Eltern, Fibel, Bibel und Bonzen mühselig ist und mit Minusgefühlen beladen, deshalb nicht nur in hitzigen Nachtstunden davon träumt, jenes tyrannische Pack zu stäupen, sondern auch voll grimmiger Phantasien darin schwelgt, Glücksritter seines Leibes zu werden und des Lebens, spare monatelang, wenn es anderswie nicht zu erreichen sein sollte, um vor der Lektüre jenes Diner sich servieren lassen und, falls er über keine Dame gebietet, sich eine kaufen zu können. Wer dieser vorgeschriebenen Vorbereitung zuwiderhandelt, wird die Wirkung dieses Buches sich so schmälern, daß dessen Zweck, ihn für immer aufzulockern und zu dem zu machen, was er im Grunde ist, verfehlt werden dürfte. Wird er aber erreicht, so wird dieses Brevier das erste Abenteuer gewesen sein und fortan von einem zum andern führen, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land. Jene, die längst solchen Weges dahinziehen, mögen gleichwohl diese Lektüre nicht verachten noch die vorgeschriebene Vorbereitung: ein kraftvolles Zusammenströmen alles dessen, was des Körpers und des Hirnes ist, wird die Lust zu neuen Taten stärken. - (Hier sei erwähnt, daß, um kräftige Trinker nicht zu irritieren, das Maß der Getränke nicht vorgeschrieben wurde; daß es aber ratsam ist, von jedem Wein nur eine halbe Flasche zu bestellen und von jeder Flasche dem Kellner ein Glas zu überlassen.) 1. Motto: Jeder sein eigener Papst! 2. Motto: Non, je ne marche pas. Non, je ne marche plus. Mais j'irai peutêtre à Canada. Chi lo sà? 3. Motto: 'Ihr Name tut nichts zur Sache. Aber wie heißt du, Heißgeliebte?' 4. Motto: (Die Kunst-Kuhe ging so lange zum Brunnen, bis ich ihr hinter die Ohren brach.) 5. Motto: Que les chiens sont heureux! Ils se., ils s'. entre eux: que les chiens sont heureux! (Ami, ami!)6. Motto: Zwei Sparren zwischen den Beinen, eine Pfauenfeder am Mast, so geht er, es ist zum Weinen, und mit gelinder Hast. Wer? Das Pack. 7. Motto: Grips muß man haben, stark muß man sein! I. 1. Um einen Feuerball rast eine Kotkugel, auf der Damenseidenstrümpfe verkauft und Gauguins besprochen werden. Ein fürwahr überaus betrüblicher Aspekt, der aber immerhin ein wenig unterschiedlich ist: Seidenstrümpfe können genossen werden, Gauguins nicht. (Bernheim als taschenspielernder Biologe zu imaginieren.) Die tausend Kleingehirn-Rastas ödester Observanz, welche erigierten Bourgeois-Zeigefingern Ästhetisches servieren (o pastoses Gepinkel!), um Expressionen zu fixen, haben dieserhalb Verwahrlosungen angerichtet, die noch heute manche Dame zu kurz kommen lassen. (Man reflektiere drei Minuten über die Psychose schlecht behandelter Optik; kl