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Max Weber

Die Leidenschaft des Denkens
ISBN/EAN: 9783446206755
Umbreit-Nr.: 1792463

Sprache: Deutsch
Umfang: 1008 S., 34 s/w Illustr.
Format in cm: 5 x 22 x 15.5
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 19.09.2005
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  • Zusatztext
    • Die erste umfassende Biographie Max Webers. Er erlebte an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert die Rationalisierung aller Lebensbereiche und machte dies zum Thema seines Lebens. Er erforschte, wie sich der Mensch von der Natur entfernte und an ihre Stelle die Systeme der Politik und der Wirtschaft stellte. Nach seiner Heirat mit der Frauenrechtlerin Marianne Weber traf sich in seinem Heidelberger Salon die intellektuelle Elite seiner Zeit. Joachim Radkau verbindet Leben, Werk und Zeit Max Webers zu einem spannenden Panorama.
  • Autorenportrait
    • Homepage von Joachim Radkau
  • Leseprobe
    • Blutsbande und Wahlverwandtschaft Der 'Familienkommunismus': Die Urform der Gesellschaft. Die Familie, diese nach traditioneller Auffassung natürliche und doch für moderne Sozialwissenschaftler nur scheinbar naturgegebene Einheit, war und blieb Webers stabilste Lebenswelt, obwohl er kurz vor seinem eigenen Zusammenbruch die Ehe seiner Eltern in rasender Wut zerstörte. Alle anderen Gemeinschaften - Fakultäten, Parteien, Vereine - hielten ihn nur vorübergehend. Diese Grunderfahrung prägte auch sein wissenschaftliches Denken. Gerade weil die große Welt für Weber von unversöhnlichem Kampf und kalter Rationalität erfüllt war, bedeutete die kleine Welt der Familie für ihn umso mehr: Da gab es bei allem Streit doch viel Nestwärme, viel großzügigen Vertrauensvorschuß und viele Gaben, die mit keiner Gegenleistung verrechnet wurden. Der 'Haus-' und 'Familienkommunismus' besitzt bei ihm anders als der politische Kommunismus etwas Urtümlich-Anheimelndes. 'Gesellschaft' als ganz konkrete Geselligkeit, die sich um die Familie herum kristallisiert - unabhängig von staatlichen Institutionen -, war für Weber eine Primärerfahrung. Es waren allerdings nicht nur Naturinstinkte, sondern auch das Kapital, was die Familie zusammenhielt. 'Nur dann bindet eine Hausgemeinschaft, wenn sie auf unbezweifelbare gemeinsame Aufgaben ausgerichtet ist', belehrte Weber 1912 den jungen Arthur Salz (ii/7-1, 428). Aber nie wird ihm die Familie zur bloßen Funktion eines ökonomischen Systems; sie behält ihr vitales Eigenleben. Mit Blick auf die römischen Sklavenkasernen entrutscht dem 32jährigen Weber sogar ein Satz, der von einem katholischen Soziallehrer stammen könnte: 'Nur im Schoße der Familie gedeiht der Mensch.' (K 57) Das klingt wie eine Spruchweisheit, wie ein altbekanntes, überall gültiges Naturgesetz. Dabei war sein eigenes Elternhaus nicht gerade ein Gartenlaubenidyll. Es war vielmehr eine Familie, wo sich die Mutter mit Selbstverständlichkeit noch in die Angelegenheiten ihrer erwachsenen Kinder einmischte, diese aber auch in die ihrigen, und wo die Briefe anstandslos reihum gingen - selbst die 'doch recht intimen' Korrespondenzen zwischen Max, Marianne und Helene, als Max Weber in Heilstätten weilte (ii/6, 575). Wenn jedoch der junge Werner Sombart klagte, seine Eltern verstünden ihn nicht, sie machten ihn selbst durch ihre Güte unglücklich - 'nur bei Altersgenossen fühlte ich mich wohl' -, so unterschied sich die Webersche Jugenderfahrung ganz entschieden von der dieses Generationsgenossen, der ihm wissenschaftlich am nächsten kam; und dieser Unterschied prägte den gesamten geistig-seelischen Habitus. Die 'Krise der Familie', ein Lieblingsthema der frühen Soziologie - vor allem der französischen -, war für Weber weder ein großes soziologisches Thema noch eine persönliche Erfahrung. 'Familie' mitsamt Komposita kommt in Webers auf CD-ROM erfaßten Werken 786mal, 'Sippe' 736mal vor. Manchmal berief sich er in seinen Schriften sogar ausdrücklich auf familiäre Erfahrungen. Der aus einer Kaufherrenfamilie italienischer Herkunft stammende Lujo Brentano, der aus eigener familiärer Erfahrung wußte, daß sich auch Katholizismus und Kapitalismus miteinander bestens vertragen können, bemerkte einmal mit leichtem Spott: 'Wenn Max Weber als Beleg für die Richtigkeit seiner Aufstellungen Beobachtungen aus dem Kreise ihm nahestehender Unternehmer heranzieht, darf ich dies vielleicht auch tun.' (R 65) Webers Anmerkungen zur späteren Neuausgabe der Protestantischen Ethik verraten, wie sehr ihn gerade diese Kritik verletzte, obwohl der brillante Brentano zu jenen Kollegen gehörte, denen gegenüber Weber seine Streitlust zügelte. Im Beziehungsnetz einer Großfamilie. In einer beliebten sozialromantischen Vorstellung ist die alte Großfamilie, die noch Großeltern und Anverwandte einschloß, in moderner Zeit zu der nur aus Eltern und Kindern bestehenden Kleinfamilie geschrumpft. Genau besehen, gab es auch die Kleinfamilie als Norm ...