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Erzählung eines Lebens

ISBN/EAN: 9783552053106
Umbreit-Nr.: 1056821

Sprache: Deutsch
Umfang: 528 S.
Format in cm: 3.5 x 21 x 13.5
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 20.08.2004
€ 25,90
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Eine einzige Berufsbezeichnung für Franz Blei (1871 bis 1942) anzugeben, ist unmöglich. Am wichtigsten von seinen vielen Betätigungsfeldern war vielleicht seine Rolle als Entdecker und Vermittler von Autoren, die für die deutschsprachige Literatur in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von Bedeutung sind, wie etwa Rilke, Musil, Robert Walser, Hofmannsthal, Wedekind oder Kafka. Endlich erscheint nun eine neue Ausgabe seiner 1930 veröffentlichten und seither nicht mehr aufgelegten Lebenserinnerungen, die unter anderem von seiner Kindheit im Wien des Fin de Siècle oder von seinen außerordentlichen Begegnungen und Erlebnissen in München und Berlin erzählen. Die Entdeckung einer großen Autobiographie.
  • Kurztext
    • Eine einzige Berufsbezeichnung für Franz Blei (1871 bis 1942) anzugeben, ist unmöglich. Am wichtigsten von seinen vielen Betätigungsfeldern war vielleicht seine Rolle als Entdecker und Vermittler von Autoren, die für die deutschsprachige Literatur in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von Bedeutung sind, wie etwa Rilke, Musil, Robert Walser, Hofmannsthal, Wedekind oder Kafka. Endlich erscheint nun eine neue Ausgabe seiner 1930 veröffentlichten und seither nicht mehr aufgelegten Lebenserinnerungen, die unter anderem von seiner Kindheit im Wien des Fin de Siècle oder von seinen außerordentlichen Begegnungen und Erlebnissen in München und Berlin erzählen. Die Entdeckung einer großen Autobiographie.
  • Autorenportrait
    • Franz Blei, 1871 in Wien geboren, lebte in München, Wien und Berlin. 1931 ging er nach Mallorca und wanderte anschließend in die USA aus, wo er 1942 in Westbury starb. Zu seinen wichtigsten Werken zählen: Das große Bestiarium (1920/24), Glanz und Elend berühmter Frauen (1927), Männer und Masken (1930). Erzählung eines Lebens ist 2004 im Paul Zsolnay Verlag erschienen.
  • Leseprobe
    • Robert WalserIm Briefkasten des »Berner Bund«, in welcher Zeitung er das Departement der Literatur mit Ansehen und nicht ohne Einsichten verwaltete, druckte Josef Victor Widmann im Mai 1897 einige Strophen und gab dem nicht genannten Dichter wohlgemeinten Rat, daß und wie es besser zu machen. Als Bodmer und Gottsched in einer Person. Vor diesen Strophen hatte der Praeceptor in litteris die Grenze seiner kritischen Fähigkeiten erreicht. Diese Gedichte waren ungewöhnlich schön und hatten ihren eigenen Ton. Auf eine Anfrage gab der Berner Redaktor Antwort, wie der Dichter hieße und wo er wohne, in Zürich wie man selber. Ich bat ihn in einem Briefe um seinen Besuch. Und ein paar Tage drauf öffnete ich auf ein Klingeln die Türe, und davor stand ein ganz junger Mensch, sah aus wie ein wandernder Handwerksbursch in einer etwas zu knappen Jacke, aus deren kurzen Ärmeln große, etwas rote Hände kamen, die den Hut hielten, und über dem geröteten, schweizerisch knochigen Jungensgesicht struppelte ein Weizenfeld von Haaren. »Ich bin der Walser«, sagte der Wanderbursch. Er sah in der Tat nicht nur so aus. Immer nur wenn es gerade nötig war, um ein paar Franken für ein sehr einfaches Leben zu verdienen, verdingte er seine geringen Kenntnisse, aber seine überaus schöne feine Handschrift an ein Bankgeschäft und war da ein Schreiber. Nicht ungern, nicht aufsässig. Nur wenn das Wetter mailich wurde und die Sonne schien, litt er ein wenig darunter, »verlegen kratzen zu müssen am Hals unter dem strengen Blick des Prinzipals«, gab die Winterstelle auf und zog über die Landstraßen, ein sehr sauberer und gar nicht robuster, eher zierlicher Wanderbursch, wie aus der Geschichte von Eichendorff herausspaziert. Oder wie ein Kaspar Hauser, der nach seinem Schicksal unterwegs ist. Ganz und gar nicht wie ein Dichter mit dem Schreibtäfelchen im Busen und hungrig nach dem Vers. Als Walser zum zweitenmal zu mir kam, brachte er ein in schwarzes Glanzleinen gebundenes, hübsch liniertes Schulheft mit. Darein hatte er mit seiner sauberen Hand, der des Bankkommis, seine Gedichte geschrieben, etwa vierundzwanzig waren es, keines die Pastiche eines andern; jedes war etwas und stand für sich, Klage nicht lauter als ihr Anlaß, Freude nicht stärker als ihr Grund. Voll Zartheit in der Farbe, nie im Undeutlichen verschwimmend, immer gehalten von einer guten Struktur schweizerischer Jungensknochen, die sich um nichts in der Welt in Stimmungssülze legen lassen. Nirgends auch nur um Geringstes mehr, als was geführtes Leben in Stoff, Wort und Bild hereinbrachte, nichts zu irgend- was Verstelltes. Ganz aus dem Innern dieser Gedichte war der Vers, nirgends von außen appliziert, und er hatte etwas leise Bebendes wie das Zittern eines Pappelblattes. Und auf jedem Worte lag der Tau, als ob es eben aus der Hand Gottes in den Morgen dieser Welt gesetzt worden wäre, und es waren ganz gewöhnliche Worte, nicht »erlauchte«, wie man sie in der damaligen Mode gern - dieses erlaucht inbegriffen - soviel las. Diese zwei Dutzend Gedichte hatte Walser als ein Siebzehnjähriger aufgeschrieben und von da ab keinen Vers mehr, bis auf einige kleine dramatisierte Gedichte. Ich lese nach dreißig Jahren wieder dieses Schulheft in Glanzleinen. Die Gedichte haben in der langenZeit kein Fältchen bekommen. Er selber sicher auch nicht, stell ich mir vor, denn ich habe ihn seit langem nicht mehr gesehen. Aber unlängst gehört, wie er als ein Fünfziger den Besuch eines Herrn empfing, der ein Buch von ihm verlegen wollte. Er ließ ihm durch seinen Kammerdiener schreiben, sein Herr sei da und dort in Bern zu sprechen. Der Verleger fuhr nach Bern, kletterte drei Treppen,