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Pränatale Diagnostik

Beratungspraxis aus medizinischer, psychosozialer und ethischer Sicht, Kultur der Medizin 41
ISBN/EAN: 9783593507385
Umbreit-Nr.: 416429

Sprache: Deutsch
Umfang: 245 S.
Format in cm: 1.6 x 21.3 x 14.2
Einband: Paperback

Erschienen am 09.11.2017
Auflage: 1/2017
€ 41,00
(inklusive MwSt.)
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  • Kurztext
    • Der Band stellt dar, wie verschiedene Berufsgruppen im Kontext von Pränataldiagnostik Paare beraten, deren Kind pränataldiagnostisch Auffälligkeiten aufweist: Ärzteschaft, psychosoziale Beraterinnen und Mitarbeiter der Behinderten- und Selbsthilfe. Im Zentrum stehen die jeweiligen Beratungsverständnisse und -inhalte sowie die Möglichkeiten der Zusammenarbeit bis hin zu Erfahrungen beim Aufbau eines interprofessionellen PND-Netzwerkes.
  • Autorenportrait
    • Marit Cremer, Dr. phil., war von 2011 bis 2014 Projektleiterin des Modellprojekts "Interprofessionelle Kooperation bei Pränataldiagnostik " im Fachverband Ev. Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL e.V.). Seit 2015 ist sie Projektleiterin bei MEMORIAL Deutschland e.V., Berlin. Christa Wewetzer, Dipl. Biol., Dr. P.H., war bis 2013 wissenschaftliche Referentin am Zentrum für Gesundheitsethik der Ev. Akademie Loccum, Hannover.
  • Leseprobe
    • Vorwort Der Beratung für Schwangere und ihre Partner widmen sich seit vielen Jahren im Auftrag des Gesetzgebers Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Mit der fortschreitenden Entwicklung pränataldiagnostischer Untersuchungen haben sich die Inhalte und Anforderungen für diese Beratungen insbesondere im Zusammenhang mit späten Schwangerschaftsabbrüchen verändert und erweitert. Darauf haben unterschiedliche Fachverbände und Träger mit entsprechenden Fortbildungen für ihre Mitarbeiterinnen reagiert. Inzwischen halten zahlreiche psychosoziale Beratungsstellen ein Angebot zur PND-Beratung (PND = Pränataldiagnosik) durch qualifizierte Mitarbeiterinnen vor. Demgegenüber steht allerdings in den meisten Beratungsstellen eine äußerst geringe Nachfrage nach derartigen Beratungen. Erfahrungsgemäß steigen die Fallzahlen jedoch signifikant, sobald Beratungsstellen eine Zusammenarbeit mit Perinatalzentren oder pränataldiagnostischen Schwerpunktpraxen vereinbaren. Aus dieser Beobachtung heraus wurde die Vorstellung abgeleitet, dass der Aufbau von multiprofessionellen PND-Netzwerken die Vereinbarung von Kooperationen zwischen Beratungsstellen und Ärzteschaft fördern und somit mehr Paare, die sich in einem Schwangerschaftskonflikt befinden, Unterstützung durch PND-Beratungen bekommen könnten. Derartige Netzwerke wurden an verschiedenen Standorten in Deutschland in unterschiedlicher Form aufgebaut, manche entstanden aus Modellprojekten und wurden evaluiert. Nicht zuletzt die positiven Erfahrungen aus diesen Studien führten 2010 zur Novellierung des Paragrafen 2a Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) und der Verabschiedung des Gendiagnostikgesetzes (GenDG). In Paragraf 2a heißt es in gekürzter Fassung: "Sprechen nach den Ergebnissen von pränataldiagnostischen Maßnahmen dringende Gründe für die Annahme, dass die körperliche oder geistige Gesundheit des Kindes geschädigt ist, so hat die Ärztin [] über die medizinischen und psychosozialen Aspekte, die sich aus dem Befund ergeben, unter Hinzuziehung von [] Ärzten, die mit dieser Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern Erfahrung haben, zu beraten. [] Die Ärztin [] hat über den Anspruch auf weitere und vertiefende psychosoziale Beratung [] zu informieren und im Einvernehmen mit der Schwangeren Kontakte zu Beratungsstellen [] und zu Selbsthilfegruppen oder Behindertenverbänden zu vermitteln." Der Fachverband Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL e.V.) entschloss sich nach Einführung des zitierten Gesetzes in Kooperation mit dem Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB e.V.) und dem Deutschen Evangelischen Krankenhausverband (DEKV e.V.), finanziell unterstützt von der Aktion Mensch, zu einem gemeinsamen Modellprojekt, das zweierlei Ziele verfolgen sollte: den Aufbau und die Evaluation eines interprofessionellen Netzwerkes sowie - in Fortführung der bisherigen Bemühungen um eine Verbesserung der Beratung Schwangerer - die Entwicklung von Kriterien, die die gewünschte berufsübergreifende Kooperation bei PND in geregelte Bahnen bringen sollte. Grund für die Entscheidung, derartige Kriterien zu entwickeln, war nicht zuletzt die Skepsis der Fachverbände gegenüber der Von-Selbst-Implementierung des Gesetzes in die Praxis, und hier speziell die Skepsis gegenüber der Bereitschaft von Ärzten, mit psychosozialen Beratungsstellen zu kooperieren und Schwangere zwecks vertiefender Beratung an sie zu vermitteln. Als Ursache für die vermutete mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit gab die EKFuL an, dass Aufgaben und Arbeitsweise der Schwangerenkonfliktberatung bei Ärzten weitgehend unbekannt seien und der Nutzen einer Überweisung der Frau und ihres Partners zur Beratungsstelle, umso mehr vor einer pränataldiagnostischen Untersuchung, nicht erkannt würde. In diesem Zusammenhang wurde außerdem angenommen, dass die Frauen und ihre Partner von der Ärzteschaft nur unzureichend über die möglichen Folgen und Problemlagen von Pränataldiagnostik aufgeklärt und dadurch nach einem positiven Befund unvorbereitet in existenzielle Krisensituationen geraten würden. Ein Netzwerk, in dem Ärzteschaft, psychosoziale Beratung und Behindertenhilfe zusammenkämen, würde einen Austausch über die jeweiligen professionellen Selbstverständnisse, Kompetenzen und Beratungsinhalte ermöglichen, Vertrauen schaffen und eine Zusammenarbeit zum Wohl der Schwangeren und ihrer Partner begünstigen. Diese würde sich dann auch in einer steigenden Zahl von psychosozialen PND-Beratungen zeigen. Der vorliegende Sammelband vereint die Erfahrungen von verschiedenen, an dem Projekt beteiligten Professionen. Ihre Beiträge fördern überraschende Ergebnisse zu Tage. So zeigen sie auf, wie berufsübergreifende Kooperation trotz mancher über Jahre gepflegter Vorbehalte gegenüber bestimmten Professionen gelingen kann. Sie erlauben einen intimen Einblick in die Praxis der Beratung bei Pränataldiagnostik und erweitern den Blickwinkel vom ursprünglichen Anliegen der Beratungsstellen nach einer höheren Zahl von Frauen, die sich beraten lassen hin zur offeneren Fragestellung, was Frauen und Paare nach einem auffälligen pränataldiagnostischen Befund vor allem brauchen und wie der Zugang dazu geschaffen werden kann. Nicht zuletzt zeigen die Autoren der vorliegenden Publikation auch die Grenzen auf, an die selbst noch so qualifizierte Beratung und eingespielte, vertrauensvolle Kooperation, bedingt durch den "Faktor Mensch", gelangen können. Bevor die Vertreter der einzelnen Professionen zu Wort kommen, stellt die Soziologin und Projektleiterin des Modellprojekts Marit Cremer im ersten Beitrag das Design der von 2011 bis 2014 durchgeführten Studie vor. Es umfasst eine sozialwissenschaftliche Evaluation von Motivation, Beratungsverständnis und Haltung zur Pränataldiagnostik der beteiligten Berufsgruppen. Darüber hinaus wurden im Hinblick auf die Implementierung einer dauerhaften Kooperation Erwartungen an die anderen Berufsgruppen bzw. an organisatorische Rahmenbedingungen herausgearbeitet. Die Ergebnisse der Studie zeigen eine hohe Bereitschaft zur Kooperation der unterschiedlichen Professionen und nicht zuletzt den Mehrwert für die Berufsgruppen, der aus dem Austausch in einem interprofessionellen Netzwerk entsteht. Der Gynäkologe und Perinatalmediziner Andreas Luttkus informiert über pränataldiagnostische Möglichkeiten und setzt sich mit verbreiteten Missverständnissen auseinander. Er stellt die Funktionsweise eines Leitfadens vor, der in seiner Klinik für die Betreuung von schwangeren Frauen bzw. Eltern bei sogenannten "glücklosen Schwangerschaften" etabliert wurde und resümiert, dass diagnostische Verfahren von den eine Schwangerschaft betreuenden Ärzten neben dem Bewusstsein für die rechtlichen Rahmenbedingungen auch eine hohe Sensibilität für ethische Konflikte erfordern. Dies gilt insbesondere für die 2012 eingeführte nicht-invasive Untersuchung embryonaler Erbinformation (Nicht-Invasiver Pränataltest, NIPD). Die auf Pränataldiagnostik spezialisierte Frauenärztin Susanne Friese beschreibt eindrücklich das Spannungsfeld, in dem sich Ärztin und Patientin nicht nur aufgrund divergierender persönlicher Vorstellungen und kultureller Faktoren, sondern auch wegen der in verschiedenen Ländern unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen zur Gendiagnostik wiederfinden können. Im Sprechzimmer werden damit auch die Folgen einer globalisierten Pränataldiagnostik verhandelt. Wird im Rahmen einer PND eine Auffälligkeit beim ungeborenen Kind festgestellt, kann ein Kinderarzt mit seiner Beratung aus der Sicht des Kindes einen maßgeblichen Beitrag für die weitere Betreuung der Schwangerschaft leisten. Der an einem Perinatalzentrum tätige Pädiater Rolf-Peter Möritz weist in seinem Beitrag auf die wachsenden Behandlungsmöglichkeiten des ungeborenen Kindes und des Neugeborenen hin. Voraussetzung für die zumeist hochtechnisierten Eingriffe ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten, Hebammen und Pflegepersonal. Die Einbeziehung des...