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Soziale Netze in der digitalen Welt

Das Internet zwischen egalitärer Teilhabe und ökonomischer Macht, Interaktiva, Schriftenreihe des Zentrums für Medien und Interaktivität, Gießen 7
ISBN/EAN: 9783593390130
Umbreit-Nr.: 1280573

Sprache: Deutsch
Umfang: 329 S.
Format in cm: 2.1 x 21.4 x 14.1
Einband: Paperback

Erschienen am 09.11.2009
Auflage: 1/2009
€ 39,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • »Web 2.0« ist eine Chiffre für soziale Netzwerke im Internet. Es ermöglicht neue Formen der Interaktion im virtuellen Raum, wobei potenziell jeder zum Sender von Inhalten werden kann. Blogs, Wikis oder Videoplattformen suggerieren somit eine egalitäre Teilhabe am Medium des Internets. Die Autoren stellen dar, inwiefern diese neuen Formen der Generierung und Verbreitung von Inhalten immer auch in soziale, ökonomische und juristische Kontrollstrukturen eingebunden sind.
  • Autorenportrait
    • Martin Eifert und Thomas Groß sind Professoren für Öffentliches Recht an der Universität Gießen; Christoph Bieber ist dort wissenschaftlicher Assistent am Institut für Politikwissenschaft. Jörn Lamla ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie und vertritt die Professur für Allgemeine Soziologie.
  • Schlagzeile
    • Interaktiva Schriftenreihe des Zentrums für Medien und Interaktivität, Gießen. Herausgegeben von Christoph Bieber, Claus Leggewie und Henning Lobin
  • Leseprobe
    • Soziale Netzwerke in der digitalen Welt Christoph Bieber/Martin Eifert/Thomas Groß/Jörn Lamla 1. Einleitung Mit dem Schlagwort "Web2.0" wird der Beginn der Phase beschrieben, in der der eigene inhaltliche Beitrag einfacher Internetnutzer - sogenannter "user generated content" - deutlich an Bedeutung gewonnen hat (Stanoewska-Slabeva 2008). Seit einer Konferenz im Herbst 2004 wird der Begriff "Web2.0" verwendet, um neue Nutzungsmöglichkeiten des Internets zu beschreiben, die sich weniger durch grundlegend andere Techniken als vielmehr durch dezentrale Anwendungen auszeichnen, die den "user generated content" in den Mittelpunkt stellen. Jeder Nutzer des Netzes wird gleichzeitig als potentieller Produzent von Inhalten angesehen, der mit einfachsten Mitteln von ihm verfasste Texte, selbst hergestellte Filme und Ähnliches in das Netz einstellen kann. Damit entfernt sich das weltweite Netz noch weiter von den klassischen Massenmedien als es ohnehin in seiner interaktiven technischen Struktur angelegt ist. Der Begriff "Web2.0" ist aber unscharf und verdeckt, dass auch diese neuen Formen der Generierung und Verbreitung von Inhalten in soziale, ökonomische und juristische Strukturen eingebunden sind, die dem Ideal der egalitären Teilhabe aller Nutzer Grenzen setzen. Die Beiträge dieses Bandes untersuchen, welche Auswirkungen die neuen Formen der Netznutzung haben. Sie verdeutlichen die Ambivalenz von Chancen egalitärer Kommunikation und Risiken ökonomischer Verwertungszwänge. Soziale Netzwerke im Internet vergrößern die Kontakt- und Einflussmöglichkeiten der einzelnen Nutzer enorm, sind durch die globale Öffentlichkeit aber auch mit größeren Risiken verbunden. Im Vordergrund stehen in diesem Band vier Teilbereiche, die in besonderer Weise durch die sozialen Netzwerke der digitalen Welt berührt werden. Es sind die Felder der politischen Kommunikation (1.), der Stellung der Verbraucher (2.), das Urheberrecht (3.) und das Persönlichkeitsrecht (4.). Einige zentrale Fragestellungen werden im Folgenden knapp skizziert, bevor abschließend einige themenübergreifende Charakteristika der neuen sozialen Netzwerke behandelt werden (5.). 2. Von Blogs zu sozialen Netzwerken? Zur Entwicklung politischer Online-Kommunikation im Web2.0 Die Auswirkungen der Entwicklung des Internets hin zum "neuen Netz" (vgl. Schmidt 2009) im Bereich der politischen Kommunikation machen sich in Deutschland mit einer gewissen Verzögerung bemerkbar: Ende 2004 sorgte erstmals der Begriff des "Web2.0" für Furore, gefolgt von einem Boom typischer Anwendungen und Genres wie Weblogs oder Podcasts. Bereits die Bundestagswahl 2005 hätte demnach schon unter dem Einfluss der Nutzerorientierung oder gar einer "Architektur der Partizipation" (O´Reilly) stehen können - doch dies war nur bedingt der Fall. Zwar erfreuten sich einen kurzen Sommer lang zahlreiche Politiker-Blogs und Wahlkampf-Podcasts (vgl. Bieber 2006) einiger Aufmerksamkeit, doch wurden die meisten dieser flüchtigen Experimente kurz nach der Wahl wieder eingestellt. Davon hat sich, so scheint es im Rückblick, der politische Teil der Blogosphäre in Deutschland nicht erholt, so dass für das Superwahljahr 2009 eine Art "Neustart" politischer Online-Kommunikation erfolgt. Zahlreiche Studien zur Internetnutzung deuten zwar an, dass das Web2.0 längst auch in Deutschland angekommen ist (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie, AGOF und so weiter), doch erst der US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf hat wieder ein breites Interesse an der politischen Nutzbarmachung des digitalen Kommunikationsraumes geweckt - erste sichtbare Resultate lieferte der Wahlkampf zur Neuauflage der hessischen Landtagswahl im Januar 2009, bei der der SPD-Kandidat Thorsten Schäfer-Gümbel das Internet als zentrales Element für die Organisation und Durchführung der Wahlkampagne nutzte. Genutzt wurde dafür jedoch kein "Wahlkampf-Weblog", sondern vor allem Social Network Sites wie Facebook, StudiVZ oder Wer-kennt-Wen sowie die Video-Plattform YouTube und der Kommunikationsservice Twitter (vgl. Bieber 2009). Die insbesondere für den Wahlkampf von Barack Obama zentrale Orientierung auf Soziale Netzwerke markierte jedoch keinesfalls die Abkehr von Weblogs als Element und Faktor im Präsidentschaftswahlkampf - anders als im Wahljahr 2004 spielten Blogs als publizistisches Element partei- und kandidatengebundener Meinungsmache oder als "Wahlkampftagebuch" der Präsidentschaftskandidaten keine dominante Rolle mehr. Vielmehr fügte sich das Format des politischen Weblogs nahtlos in die Phalanx professioneller Medienangebote ein - etablierte Printmedien und reichweitenstarke TV-Netzwerke integrierten Einzel- oder Gruppenblogs in die Wahlberichterstattung, mit der Internet-Zeitung "Huffington Post" gehört nun auch eine neue Mischform aus kommerziellem Online-Medium und Laien- beziehungsweise Bürgerjournalismus zur "ersten Reihe" der politischen Nachrichtenangebote. Als Beispiel für die Leistungsfähigkeit des "Citizen Journalism" gilt insbesondere die Berichterstattung von Mayhill Fowler in der "Huffington Post" zu abfälligen Bemerkungen Obamas über frustrierte Bürger in Pennsylvania, einen der wenigen Fehler in dessen Kampagne. Erschienen war der Text im Ressort Off the Bus, einem Forum für Bürgerreportagen über lokale Wahlkampfveranstaltungen, von dort bahnte sich die Nachricht den Weg in den massenmedialen Mainstream. In ähnlicher Weise fungierten Live-Blogs während der Serie von vier Presidential Debates, die als Katalysator für Kommentare und Analysen die übliche Nachberichterstattung von Zeitung und TV ergänzten sowie zahlreiche Querverbindungen zu anderen Plattformen der Online-Wahlberichterstattung innerhalb von Social Network Sites eröffneten. Mit zunehmender Laufzeit des Präsidentschaftswahlkampfs wirkten die Netzwerkeffekte der Kommunikation auf Social Network Sites immer stärker: kontinuierlich steigende Unterstützerzahlen der Kandidaten führten durch die in den sozialen Netzwerken gängige "Empfehlungskommunikation" zu einer beschleunigten Verbreitung wahlkampfbezogener Informationen und beförderten die Transformation insbesondere der Obama-Homepage in eine reichweitenstarke Social Network Site. Dieser Wandel von einer zuvor etwa über Weblogs und klassische Kandidaten-Websites geführten, zentrifugal ausgerichteten Online-Kampagne hin zum eher zentripetal, auf den Mittelpunkt MyBarackObama.com organisierten Social Campaigning, stellt den eigentlichen qualitativen Sprung des amerikanischen Wahlkampfzyklus dar. Als wesentliches Merkmal des Social Campaigning gelten daher Aufbau und Organisation eines partei- beziehungsweise kandidatenzentrierten sozialen Netzwerks mit Hilfe etablierter Social Network Sites oder durch die Schaffung einer eigenen Netzwerkplattform, verbunden mit der Rekrutierung von Unterstützern. Die systembedingten Unterschiede zwischen parlamentarischer und präsidentieller Demokratie liegen zwar auf der Hand, waren bezüglich der politischen Kommunikation in sozialen Netzwerken aber noch kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Während die Implementation von Unterstützernetzwerken in den USA an den zwar vorhandenen, aber nicht sonderlich ausgeprägten Parteistrukturen vorbei erfolgte, ist die Entwicklung sozialer Politik-Netzwerke in Deutschland untrennbar mit den Institutionen der Parteiendemokratie verbunden. Eine nähere Betrachtung zeigt eine scheinbar reziproke Entwicklung: die in den USA durch die personenzentrierten Aktivitäten im Wahlkampf entstandenen Vorfeldorganisationen "Organizing for America" (Barack Obama) und "Country First" (John McCain) existieren nach der Wahl weiter und ähneln in ihrer streng geografisch-hierarchisch gegliederten Struktur den Organisationspyramiden der deutschen Mitgliederparteien. In Deutschland stoßen ähnliche Vorstöße bislang auf unerwartete Schwierigkeiten innerhalb der abbröckelnden Parteiorganisationen: der interne Datenabgleich und die Transformation vorhandener Mitgliedernetzwerke in zentral org...